Ausstellungsprojekt Rohkunstbau: Landpartie mit Revolution

Raus aufs Land zur „Revolution“: Das Umsturzthema ist diesjähriges Leitmotiv der Rohkunstbau-Schau im Schloss Roskow.

Die richtige Umgebung für eine Revolution? Schloss Roskow, Ort der 20. Rohkunstbau Bild: Jan Brockhaus

Das mit der Revolution kann man sich beispielsweise so vorstellen: Eine Uhr tickt, und doch vergeht die Zeit nicht. Ein Stein im Fenster, aber die Scheibe ist intakt. Festgefrorene Widerspenstigkeit. Alicja Kwades Arbeiten zeigen Revolution im Stillstand.

Alicja Kwade ist eine von zwölf Künstlern und Künstlerinnen, die sich für die 20. Ausgabe von Rohkunstbau mit dem Thema Revolution auseinandersetzen. Grundlage für ihre Installation „Gegen den Lauf“ bildet eine AEG-Uhr aus den 20er Jahren: Jedes Mal, wenn der Sekundenzeiger weiterläuft, bewegt sich die gesamte Uhr gegenläufig und scheint sich so gegen den Verlauf der Zeit zu wehren. Ein an der Fensterscheibe klebender Stein weckt Assoziationen von Gewalt und Aufstand, ohne jedoch wirklich Konsequenzen zu zeigen. Kwades Arbeit ist eine der stärksten in der Jubiläumsausgabe von Rohkunstbau, die wie bereits im vergangenen Jahr zur Landpartie ins beschauliche Roskow im Havelland lädt, eine knappe Autostunde von Berlins Mitte entfernt.

Dass die Kunstschau Rohkunstbau tatsächlich ihr 20-Jähriges feiern kann, hätte man noch vor zwei Jahren nicht gedacht. 1994 vom Stahnsdorfer Arzt Arvid Boellert ins Leben gerufen, entwickelte sich Rohkunstbau zu einem wichtigen Kunstfestival und gab jährlich Tausenden Kunstinteressierten Anlass, im Sommer in abgelegene Brandenburger Ortschaften zu pilgern. Am längsten zum Schloss Groß Leuthen, in dem die Schau von 1999 bis 2006 gastierte, und danach weiter in Schlossatmosphäre an wechselnden Orten. Renommierte KünstlerInnen wie Louise Bourgeois, Richard Hamilton und Mona Hatoum nahmen teil, Stars aus Literatur und Film gastierten mit Vorstellungen. 2012 strich das Land Brandenburg die Fördergelder für das Projekt, die Schau konnte nicht stattfinden und schien Geschichte zu sein.

Doch bereits ein Jahr später folgte das Comeback in abgespeckter Form im Schloss Roskow, einem Barockbau mit morbidem Charme und großzügiger Gartenanlage, auf dessen ehemalige Nutzung als Dorfschule noch eine Tafel im Foyer und bunt gerahmte Fenster hinweisen. Zwar gab es 2013 keine berühmten Schirmherren wie den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso mehr und keine Stargäste, dafür aber eine Konzentration auf das Wesentliche: die Kunst. Dieser neuen Einfachheit folgt Rohkunstbau auch in diesem Jahr.

Am Samstag, 5. Juli, um 14 Uhr wird die Rohkunstbau-Ausstellung im Schloss Roskow eröffnet, diesjähriges Thema der Jubiläumsausstellung - es ist die 20. Ausgabe der Kunstschau - ist "Revolution". Bis 21. September ist sie samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr zu sehen. 8/5 Euro. Weitere Informationen: www.rohkunstbau.de

Nach Roskow kommt man auch mit Bahn und Bus: vom Berliner Hauptbahnhof fährt halbstündlich ein Zug nach Brandenburg an der Havel, von dort geht es weiter mit dem Bus nach Roskow, wo sich auch gute Bademöglichkeiten befinden.

Eine weitere Brandenburger Kunstlandpartie bietet sich derzeit nach Wittenberge an, zur dortigen "Verflixt und zugenäht"-Schau in einer ehemaligen Nähmaschinenfabrik.

Ausgangspunkt von Rohkunstbau ist stets ein emblematisches Werk aus Musik, Film oder Philosophie. Seit drei Jahren dienen der Kunstschau Leitmotive aus Wagners „Ring des Nibelungen“ als Inspiration bei den künstlerischen Beiträgen. Nach den Themen „Macht“ und „Moral“ dreht sich in diesem Jahr alles um Revolution.

Den Auftakt im Foyer des Schlosses macht eine Fotografie von Nasan Tur mit dem Titel „Time for Revollusion“, in der der Künstler diesen Schriftzug an eine Mauer sprüht. Was ist Revolution, was Illusion? Tur gibt mit seiner Arbeit den Ton und die große Frage der Ausstellung an.

Neben konzeptionellen Arbeiten steht klassische Malerei von Erik Schmidt und Ruprecht von Kaufmann. Während Ersterer sich dem Thema Revolution explizit nähert, indem er Szenen aus der Occupy-Bewegung in New York darstellt, beschäftigt sich von Kaufmann auf abstraktere Weise mit Revolution in der Kunst. Ein rosa Elefant in seinem Werk spielt auf die staatliche Zensur in der DDR an. Ostdeutsche KünstlerInnen bezeichneten mit den rosa Elefanten ein Ablenkungsmanöver, um ihre eigentliche Kritik an der Zensur vorbeizubekommen. Und der in Potsdam ansässige Künstler und Komponist Ion Sur sucht die Bewegung in der Revolution mit Werken, die mit den Besuchern interagieren – etwa seine Sound Frames, die Töne von sich geben, wenn man sich ihnen nähert.

Die wohl aktuellste Arbeit der Schau steuert der finnische Künstler Robert Lucander bei. Er hat sich für Rohkunstbau mit der Fußballweltmeisterschaft auseinandergesetzt. In seinem Raum hat er aus allen vier Ecken Farbdosen einen Tritt verpasst, deren Inhalt so ein buntes Action-Painting auf dem Boden ergeben, an den Wänden hängen Arbeiten mit den Nationalflaggen und ein Werk namens „Happy Angie“, das Angela Merkel in Jubelpose mit schwarz-rot-goldenem Gesicht zeigt. Im thematischen Zusammenhang der Ausstellung wirft Lucanders Arbeit viele Fragen auf. Was ist geworden aus den Protesten in Brasilien? Fußball als Opium fürs Volk, Revolution nur Illusion? Im Nebenraum tickt Alicja Kwades Uhr weiter vor sich hin.

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