Ausstellungsempfehlung für Berlin: Wunderbarer Zufall
Gonzalo Reyes Araos präsentiert bei Gilla Lörcher analoge Malerei, die wie Glitch Art aussieht. Die taz sprach mit dem Künstler.
![](https://taz.de/picture/2624703/14/GonzaloReyesAraos__RGB_Paintings__2016-2018__78_x_57_2_cm_Installation_view_GalerieGillaLoercher__Foto_Gilla_LoercherIMG_2719.jpeg)
Sieht man Gonzalo Reyes Araos’ „RGB Paintings“ auf dem Computerbildschirm, hält man seine schillernden Farbspiele zunächst für digitale Glitch Art. Erspäht man sie aus der Ferne geht der Verwechslungsimpuls in Richtung kompliziert verschalteter LED-Platten. Doch Araos’ Spiel mit Rot, Grün und Blau, die die additive Grundlage des digitalen Farbspektrums bilden, ist durch und durch analog.
In akribisch ausgerichteten Schichten rastert der Künstler dünne Öl- bzw. Acrylstreifen über Aluverbundplatten. Horizontale Streifen laufen auf der Bildfläche durch, dazwischen platziert er unzählige, auf gerade mal einen halben Zentimeter zugeschnittene Farbsplitter.
Dabei folgt er Algorithmen aus der Bilddarstellung von LCD-Screens und erzielt ein visuelles Ereignis wie man es sonst aus der Tradition der Optischen Täuschung kennt: Je nach Standpunkt wechseln die vielfarbigen Gemälde die Erscheinung und strahlen bei Gilla Lörcher als gänzlich monochrome Flächen in grün, hellgrau oder lila in den Raum. Die Glitches? Dem wunderbaren Zufall herausfallender Farbsplitter zu verdanken.
Einblick (716): Gonzalo Reyes Araos, Künstler
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?
Galerie Gilla Lörcher
Do.–Fr. 13–18, Sa. 15–18 Uhr, bis 30. 3., Pohlstr. 73
GRA: Toll fand ich Haegue Yangs Installation „Silo of Silence – Clicked Core“ im KINDL Zentrum. Ich habe mich so klein in diesem Raum gefühlt. Die Skulptur hat mich angeregt, über Raumvolumen und die eigene Position im Raum nachzudenken. Eindrucksvoll war auch Monica Bonvicini in der Berlinischen Galerie.
Und ich mochte „What the sun has seen“ von Agnieszka Polska beim Preis der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof. Die Idee, dass die Sonne uns beobachtet, geht mir seither nicht mehr aus dem Kopf …
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?
Gonzalo Reyes Araos (geboren 1980 in Chile) hat an der Kunsthochschule Valparaiso studiert. Er erhielt internationale Auszeichnungen und wurde im Jahr 2015 für die Shortlist des deutschen Losito Kunstpreises nominiert. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Institutionen, Galerien und Projekträumen präsentiert: u. a. Maison de l’Amerique latine, Brüssel; Mass Art Museum, Jinan, China; Geumcheon Art Space Seoul, Korea; Balmaceda 1215 Cultural Centre, Valparaiso, Chile; Pantocrator Gallery, Shanghai; Non Berlin, Berlin: Pavillon am Milchhof, Berlin und Galerie Gilla Lörcher, Berlin. In der Galerie Gilla Lörcher läuft aktuell noch bis zum 30. 3. seine Einzelausstellung „RGB Paintings“.
Ich gehe eigentlich nicht in Clubs, ich mag eher die Barkultur. Sehr empfehlen kann ich die Bar Barbette, ein Treffpunkt für Künstler und Denker. Ein Ort, der leider in Gefahr ist zu verschwinden. Man muss ihn unbedingt unterstützen.
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?
Derzeit lese ich „A Brief History of Working with New Media Art: Interviews with Artists“. Darin finden sich Interviews von den 80ern bis heute. Und ich habe gerade begonnen, den Documenta-14-Reader zu studieren. Ansonsten lese ich am meisten Magazine wie Spike oder Frieze.
Was ist dein nächstes Projekt?
Ich bereite gerade ein Projekt in der chilenischen Atacama-Wüste vor. Dort, in der trockensten Wüste der Welt, werde ich mit drei weiteren Künstlern für zwei Monate ein Arbeitsstipendium wahrnehmen. Das Stipendium steht im Zusammenhang mit dem SACO Festival und ich werde dort eine Arbeit entwickeln, die sich mit dem Begriff des Territoriums auseinandersetzt.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?
Mmh, ich freue mich jeden Morgen auf ein gutes Frühstück, einen extra guten Kaffee und das Tageslicht. Das treibt mich aus dem Bett. In der Berliner Winterzeit muss, wenn das Tageslicht so knapp ist, der Kaffee besonders gut sein.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.
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