Ausstellung: Keine Angst, der will nur spielen!
Bissige Pitbulls, Cockerspaniel und andere charmante Hunde bevölkern die aktuelle Ausstellung in der Kieler Kunsthalle. Natürlich sind sie nur gemalt, gefilmt und ausgestopft. Ein bisschen mulmig wird einem aber trotzdem.
Vielleicht sind sie ja gar nicht tot! Vielleicht geht gleich ein leichtes Zucken durch ihren Körper, schnappen ihre Kiefer einmal zu und wieder auf und ein Knurren entschlüpft ihren Kehlen! Mit einem von ihnen würde man vielleicht noch fertig werden. Mit zweien, das wird schon schwierig. Aber es sind insgesamt acht Pitbull Terrier, die da vor uns stehen, mit steil aufgerichteten Ohren. "Meute" nennt folglich Jochem Hendricks (Besitzer der beiden Dobermänner ,Plum' und ,Plüsch') sein Ensemble aus ausgestopften Kampfhunden, die Körper hier und da mit Kampfspuren versehen. Wer an ihnen vorbei ist, wer vielleicht verbotenerweise kurz ihr Maul berührt hat, wird sich trotzdem noch mal umschauen, bevor er den Raum verlässt: Bei Hunden weiß man ja nie!
"Cocker Spaniel & other tools for international understandig" heißt die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle zu Kiel, kuratiert von Dirk Luckow. Er gibt mit dieser Schau seine Abschiedsvorstellung als Direktor und macht zugleich deutlich, dass sich die Hamburger Kunstfreunde auf sein Wirken in den dortigen Deichtorhallen freuen dürfen, wenn er nur seinen so gekonnten Mix aus Hoch- und Alltagskultur fortsetzt.
Auch diesmal nascht Luckow nicht einfach an einem vordergründig populären Thema, um es dann durch die Hintertür kulturwissenschaftlich aufzufrischen. Vielmehr vertraut er seinem Interesse und lässt den Blick immer wieder vom Menschen auf den Hund und vom Hund auf den Menschen schweifen: Was wir in den Hund als dessen angeblich treuesten Begleiter hinein projizieren, ist das eine. Was die Hunde in uns sehen, wozu wir ihnen dienen, etwas anderes. In diesem Sinne ist die Ausstellung dem psychoanalytischen Prinzip der Gegenübertragung verpflichtet: Was der Mensch im Hund sieht und sich von ihm wünscht, ist auch das, was der Mensch denkt, was der Hund sich von ihm erhofft.
Aggression oder Friedfertigkeit ist nur teilweise eine Frage der Rasse. Beides wird im wesentlichen anerzogen.
Als Schoßhund wurden schon auf den Porträts der Renaissance, die die Tiere als Treue-, Eleganz- und Schönheitssymbole nutzten, kleine Rassen verwendet. Im 18. Jahrhundert hielten sich gut situierte Damen vor allem Yorkshire-Terrier, Chihuahuas und kleine Pudel als Spielgefährten.
Der Begriff "Kampfhund" bezeichnete ursprünglich keine Rasse, sondern ein Zuchtziel: Die betreffenden Hunde wurden für die inzwischen größtenteils verbotenen Hundekämpfe gezüchtet, später erst züchtet man für Tierkämpfe klar definierte Rassen. Seit dem 20. Jahrhundert gelten solche Tiere als Kampfhunde, die aggressiv Menschen angreifen. Dazu zählen unter anderem Bullterrier und Pit Bull.
Ein gutes Beispiel dafür bietet die Fotoarbeit "Dog Bites" von Eija-Liisa Ahtila, die mit viel Inbrunst in die Rolle eines Hundes geschlüpft ist: hechelnd, pinkelnd, bettelnd und sich mit der Vorderpfote am Ohr kratzend, präsentiert sie sich so in anrührender wie komischer Pose.
Wie der Hund in die Malerei kam, wie er zum Bestandteil von Herrscherporträts wurde und wie der damit einhergehende Kreislauf von Domestizierung und Auswilderung sich zeigt: Auch das ist Thema der Ausstellung. Anregend etwa der Blick auf das Portrait "Dame mit Hündchen" des Malers Wilhelm Trübner, von 1880. Züchtig und verschlossen schaut uns die Portraitierte kaum an, auf ihrem Arm in ebenso ruhiger Haltung ein Doggenwelpe - und doch hält sie dessen Pfoten mit ihren Linken fest umschlossen: so viel Zähmung muss dann doch sein.
Anita Larsson wiederum greift die Arbeit "Aus der Mappe der Hundigkeit" von Valie Export auf, die 1968 Peter Weibel an einer Leine durch die Innenstadt von Hannover führte; übrigens Geburtsstunde der modernen Performancekunst. Bei Larsson dreht sich die Kamera in schwindelerregender Weise um zwei sorgsam gekleidete Männer, eine Leine, einen blauen Himmel und einen Hund; eine subtile, nicht eindeutig aufzulösende Inszenierung von Macht, Unterwerfung und Hingabe. Dazu ertönt wuchtige Operettenmusik, abgelöst von nicht minder eindringlichen Techno-Klängen.
Noch eine Spur rüder ist der Russe Oleg Kulik vorgegangen, dessen nun halbnacktes Paar in "Mad Dog Performances" sich einer johlenden und sie fotografierenden Menschenmenge zeigt, während einst Export/Weibels Frauchen-und-Hund-Paar von Hannovers Passanten vordergründig übersehen wurde.
Und die Angst vor dem Hund, unsere so tief sitzende Furcht? Von Florian Henckel von Donnersmarck gibt es dazu eine hübsche kleine Arbeit, ein früher, wenig bekannter Kurzfilm von 1999: "Dobermann". Erzählt wird von einem jungen Mann, der im Gehen die Zeitung liest, was man nicht machen sollte, will man nicht nichtsahnend in einen Haufen Hundescheiße treten.
Schon ist es passiert, der Ärger darüber groß, da passt es, dass unser Held an einem Auto vorbeikommt, in dem ein Dobermann sitzt, den zu ärgern, indem man ein bisschen gegen die Scheibe klopft und allerlei Faxen macht, liegt nahe. Was er besser nicht hätte tun sollen! Dabei illustrieren die folgenden Verfolgungsminuten nicht nur die Behauptung, dass der Hund dem Menschen am Ende immer an die Kehle will. Mehr noch entblättert sich eine fulminante Persiflage auf all die Verfolgungsszenen aus dem Actionkino. Da springt man plötzlich über unglaublichste Hindernisse, duckt sich flach auf den Boden - einschließlich des Moments, in dem der Verfolgte glaubt, er sei seinem Verfolger entkommen, was er bekanntlich nie ist.
So switcht die Ausstellung genüsslich hin und her, und der Besucher folgt gern den insgesamt 70 künstlerischen Beiträgen von der Radierung über die Skulptur und den Ölschinken bis zur Videoinstallation, wie sie sich Themen wie ,Portrait', ,Mensch-Hund-Beziehung' und ,Der Hund in der Stadt' widmen.
Der Genuss hält auch während der folgenden Tage an, denn - das ist versprochen - der Besucher wird nun all überall Menschen mit Hunden und Hunde mit Menschen entdecken. Heute Morgen etwa, beim Brötchen holen: Ein kräftiger, ja, dicker Mann kam uns entgegen, am anderen Ende der Leine ein nervös hippelndes und sehr dünnes Etwas, das ihm ständig vor die Füße sprang, was der Mann mit geradezu entrückt gütigem Blick beobachtete. Was die beiden wohl voneinander haben?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei