piwik no script img

Ausstellung zum MuseumsbauDer "Bilbao-Effekt"

Wuchtige Geste oder zurückhaltende Einpassung ins Umfeld. Eine Ausstellung in Berlin beleuchtet, wie gegenwärtig Museen gebaut werden.

Spacelab, Peter Cook / Colin Fournier, Kunsthaus Graz am Landesmuseum Joanneum, Graz, Österreich, 2000-2003 Bild: zepp-cam seidl

Obwohl der Ort längst nicht mehr so unter Spannung steht wie in den Jahren unmittelbar nach der Eröffnung 1997, elektrisiert Frank Gehrys Guggenheimmuseum im baskischen Bilbao bis heute. Das silbrig glänzende, organisch verspielte Gebäude steht für ein neues Verständnis von Museumsarchitektur: Die Architektur als begehbare Skulptur ist selbst ein Kunstwerk und hat sich von ihrem Inhalt emanzipiert. Zugleich behauptet Guggenheim Bilbao eine moderne "Corporate Identity" für eine Industriemetropole im Wandel. Die Stadt ist Profiteur des Neubaus. Mehr noch. Der sogenannte "Bilbao-Effekt" hat eine ganze Region neu konstituiert.

Gehrys Guggenheim Bilbao steht wie ein Architektur-Programm hinter der Vielzahl der 28 "Museumsprojekte im 21. Jahrhundert", die derzeit im Berliner Pergamonmuseum gezeigt werden. Die Wanderausstellung, zusammengestellt vom Art Centre Basel, widmet sich dabei weniger einer kritischen Bestandsaufnahme neuer Museumsarchitekturen und übergeht auch Beispiele gerade eröffneter Kunsttempel - wie Peter Zumthors Diözesanmuseum St. Kolumba in Köln oder Rafael Moneos Erweiterungsbau für den Prado in Madrid. Ihr Thema ist vielmehr der neue globale Kontext von Museumsbauten sowie deren schrille Inszenierung und aufdringliche Repräsentanz in den reichen Kapitalen. Viele der neuen Museen sind aufgeladen von Bildern der Vernetzung und Mobilität, der Gigantomanie, des Marketings und Konsums.

Bemerkbar macht sich das gesteigerte, expressive Gehry-Programm etwa beim Kunsthaus Graz. Das Büro Spacelab Cook/Fournier hat 2003 einen irren blauen Baukörper geschaffen, dessen Form an einen gefüllten Infusionsbeutel erinnert. Graz ist eine laute Geste, die über die Kunst dominiert. Als antimuseales Maximum erscheint auch der Entwurf für das Eyebeam Museum of Art and Technologie in New York, den die US-amerikanischen Architekten Diller Scofidio & Renfro 2001 entwickelt haben. Bei ihnen erhebt sich ein aufsteigendes gefaltetes Band bis hinauf in luftige Höhen, in dessen Schleifen große Räume und Erschließungssysteme für das Museum eingestellt sind. "Abnorme Architekturen" nennt das Büro seine Projekte - ganz in der Absicht, die Grundideen des Museumsbaus, der für Bewahrung stand, mit aggressiven Gegenbildern zu kritisieren.

Gleich gegenüber hängen die Pläne der Lehrmeister von Diller & Co.: Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Frank Gehry und ihre zerklüfteten Museumsprojekte für Rom, Denver oder Washington. Alle drei pflegen ihre bekannte, dekonstruktivistische Handschrift und sind zugleich Paradebeispiele für marktschreierische Imagebildung vor Ort. Das Museum als spektakuläre Event-Architektur, als globaler "Bilbao-Effekt" - wie es der Louvre-Ableger von Jean Nouvel in Abu Dhabi sinnfällig vorführt -, hat seine einstige Aura abgelegt.

Natürlich gibt es sie noch, die sogenannten "richtigen" Museen. In einem zweiten Teil der Ausstellung werden Bauwerke vorgestellt, die die museale Architektur thematisieren und sich mit großer Behutsamkeit in einen urbanen oder landschaftlichen Kontext einzufügen suchen. Sie fungieren als der andere Pol der Museumsbauten für das 21. Jahrhundert. Bernhard Tschumis neues Akropolismuseum (2007) für Athen etwa führt hinter einem klassisch-modernen und edlen Äußeren zu erhabenen Raumfolgen im Inneren.

Als Teil der Natur und Landschaft haben die Londoner Architekten Denton Corker und Marshall die mystischen Zeichen Stonehenges in das gleichnamige Museum (2007) übertragen. Es ist ein unterirdischer Bau voll großer Stimmung geworden, der nur in ein paar oberirdischen Linien und Chiffren, die sich kreuz und quer über das Rasenfeld legen, erkennbar wird. Hierher gehört auch David Chipperfields Entwurf für die Berliner Museumsinsel und sein dortiges Projekt der James-Simon-Galerie, das eine Moderation vornimmt zwischen Klassizismus, Gegenwart und Stadtlandschaft, die dem Kunsttempel zwar die einstigen Pathosformeln genommen, ihn aber nicht negiert hat.

Man ist geneigt, diesen Museumstendenzen den Vorzug gegenüber den expressiven Bau-Events zu geben. Bilden sie doch eher einen Motor des baulichen Fortschritts und sind Inspirationsquellen des Museumsbaus. Zugleich zeugt der minimalistische, neutrale Raum hinter einer poetischen oder funktionalen Hülle doch manchmal von mehr geistiger Offenheit als viele der Superdomes of Art dies tun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!