piwik no script img

Ausstellung zu NS-Verbrechen in RigaTatort der Vernichtungspolitik

„Der Tod ist ständig unter uns“: Eine Sonderausstellung in der Topographie des Terrors beleuchtet eindrucksvoll die NS-Verbrechen in Lettland.

Die Umzäunung des Ghettos Riga an der Lāčplēša iela 161–163, Oktober 1941 Foto: Muzejs „Ebreji Latvijā“, Riga, MEL, F

Berlin taz | „Schade, dass die Reichsbahn den Befehl nicht verweigert hat“, sagt Fred Leser in dem Video, das in einer Sonderausstellung in der Topographie des Terrors zu sehen ist. Sie widmet sich der Massendeportation jüdischer Menschen nach Riga und ihrer anschließenden Ermordung. Die Stadt war ein Zentrum jüdischen Lebens in Osteuropa. Die Ausstellung zeigt, wie die Stadt nach dem Einmarsch deutscher Truppen 1941 zu einem Tatort nationalsozialistischer Vernichtungspolitik wurde. In vielen Beispielen wird gezeigt, wie SS, Polizei, Wehrmacht und lokale Hilfstruppen kooperieren bei der Entrechtung und Ermordung der Jü­d*in­nen aus Lettland, dem Deutschen Reich und dem Protektorat Böhmen und Mähren, die ab November 1941 dorthin deportiert wurden.

Der Titel der Ausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“ macht deutlich, was die Menschen erwartete. Fred Leser, der in einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Hamburg geboren wurde, hat als Einziger seiner Familie die Shoah überlegt. Im Video berichtet er über die unmenschlichen Bedingungen, unter denen er mit seiner Familie 1941 mit der Reichsbahn nach Riga verschleppt wurde. Nicht wenige starben schon in den Zügen.

Auf einer Tafel berichtet Frieda Mihelsome, eine der wenigen Überlebenden der Deportationen, über die Kooperation der Bevölkerung mit der Polizei; „Es finden sich Einheimische, die sich anbieten, sie mit der Gegend vertraut zu machen und zu zeigen, wo Juden wohnen.“

Die Ausstellung zeigt auch, dass für die wenigen Überlebenden nach dem Ende des NS die Leidenszeit nicht vorbei war. „Manche befinden sich in größter Not, sind alt geworden und resignieren“, erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Jeanette Wolff 1955 im Bundestag. Sie war dort als Verfolgte des Naziregimes in der absoluten Minderheit.

Besuch der Ausstellung

Die Ausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“ ist bis 10. März 2024 in der Topographie des Terrors zu sehen. Der Eintritt ist frei. Termine zu Begleitveranstaltungen findet man hier: www.topographie.de/veranstaltungen/

Wie auch der mörderische Antisemitismus den NS überlebt hat, zeigt sich in der Ausstellung am Beispiel von Marianne Winter. Als sie in ihr altes Haus zurückwollte, erklärt einer der Neubewohner: „Wenn die nicht im KZ verreckt ist, verreckt sie hier. Dann schmeißen wir sie die Treppe runter.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!