Ausstellung über Mensch und Natur: Vom Jagen und Sammeln
In der Ausstellung „Catch me if you can“ der Eres-Stiftung in München bekommt eine alte Frage einen absurden Twist. Wie halten wir es mit dem Wildtier?
Die Jagd auf eine Löwin in der Berliner Peripherie vergangenen Sommer hatte für reichlich medialen Stoff und Irritationen gesorgt. Gar nicht umfangreich, dafür mit Sachverstand und Ironie gleichermaßen reagiert darauf nun eine Ausstellung in der Münchener Eres Stiftung.
Kunst und Kultur mit aktuellen naturwissenschaftlichen Fragestellungen zusammenzubringen ist die Ausrichtung der 2006 etablierten Stiftung. Ihre Projekte sind diskursiv und bei aller zeitgemäßer Relevanz fern ausgetretener Pfade.
Auch in dieser Schau: Die Vorstellung unbedingt zu erlegender Löwen im Brandenburgischen und die Frage nach dem adäquaten Lebensraum, in dem sich Raubtier und Mensch gemeinsam aufhalten oder gar entfalten können, auch die hierarchischen Verhältnisse in der Natur (falls sie denn hierarchisch sind) bekommen in ihrer künstlerischen Übertragung einen bisweilen absurden Twist.
Nahrungsjagd im Supermarkt
„Catch me if you can“: Christian Jankowski, Alastair Mackie, Yves Netzhammer, The Icelandic Love Corporation, Eres Projects München, bis 15. März
Christian Jankowski hat sich zu Anfang der Neunziger schlicht als Predatorenvertreter auf die Nahrungsjagd mit Pfeil und Bogen in einen Supermarkt begeben. Er hat geschossen, was er zum Überleben braucht (Video) und die Trophäen samt Tötungsinstrumenten zu Haus auf dem Küchentisch fein übersichtlich arrangiert (schwarz-weißer überdimensionaler Stoffprint als Banner).
Der Schweizer Yves Netzhammer hat seine „Abstraktionsvorräte“ in einem Objektkonglomerat (so bezeichnet er seine Arbeit) versammelt: Ein stilisierter Hochsitz, flankiert von halbierten Rehskulpturen, birgt eine Videoinstallation gleichsam als träumerisch jagenden Bewusstseinsstrom mit blutüberströmten wesenlosen Gliederpuppen, an einem Spiegel vorbeirasenden Insekten, Eisenbahnen und dergleichen surreal anmutende, ungemütliche, irgendwie mörderische Szenarien.
Der Mensch ist des Menschen Wolf
Der Mensch, auch wenn er nicht leibhaftig ist, ist des Menschen Wolf, zwecklos der Versuch, zu entrinnen. Das hochästhetische Gesicht des Grauens vermittelt die „Sphere“ des Briten Alastair Mackie, geformt aus tausenden winzigen skelettierten Schädeln von Feldmäusen. Sie waren sämtlich Opfer der unheimlichsten Nachtjäger; die Eulen verschlingen ihre Beute mit Haut und Haar, würgen später das Gewölle hervor – und der Künstler sammelt das vermeintlich Überflüssige, klaubt die Schädelchen heraus, reinigt sie und fügt sie zu einer Kunst und Natur vereinenden Transformation.
„The Icelandic Love Corporation“, drei isländische Künstlerinnen, befassen sich im verschneiten, eiskalten Hinterland ihrer dünn besiedelten Heimat mit der eleganten Jagd nach Trophäen. In feinen Pelz gehüllt schießen und fischen sie, trainieren exquisite Sportarten wie Golf – und vergraben, am Ende doch überdrüssig, ihren feinen Schmuck in einem Kästchen in der Erde.
Mal sehen was am Ende übrig bleibt von den tollen Pelzen, den hart erjagten Insignien des Luxus. Die Gletscher, Sinnbild unverzichtbarer Notwendigkeit, sind es nicht, so viel steht fest. Sie sind die ersten Opfer unseres arroganten und nach wie vor unerschütterlich hochgehaltenen Jagdinstinkts. In welcher Ausformung auch immer er sich manifestiert.
Die großartige Wirkmacht der Natur
Wie großartig (eigentlich) die Wirkmacht der Natur funktioniert, lässt sich erahnen, wenn man in der Ausstellung mit dem schönen Titel „Catch me if you can“ die lange Liste der invasiven Tierarten betrachtet.
Es sind Tierarten aus allen Kontinenten dieser Erde, die den oft abenteuerlichen und abstrusen Weg hierher gefunden haben. Sie wollen in der Fremde (über)leben, sich vermehren, erkämpfen sich mit großem Geschick einen Lebensraum, sie jagen und haben keine Fressfeinde, werden gejagt, verachtet, auch gefürchtet. Manchmal besuchen sie uns auch in unseren Vorgärten in Gestalt eines Wildschweins. Zumindest in unserer Fantasie zerreißt es uns vor Angst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!