Ausstellung über Hodler, Dejneka und Rauch: Betender wird Held der Arbeit
Hamburgs Kunsthalle bietet in der Schau "Müde Helden" einen gewagten Vergleich zwischen Hodler, Dejneka und Rauch. Dejneka soll Figuren des Symbolisten Hodler für Bilder im Stil des Sozialistischen Realismus verwandt haben.
"Die weißen Tauben sind müde" heißt ein kitschiges Lied der 1980er Jahre. "Die Helden sind müde" haben die Kuratoren der Hamburger Kunsthalle ihre aktuelle Ausstellung genannt, und das wirft Fragen auf: Können Helden müde sein? Und wer ist das überhaupt: der Held der Moderne? Der Held der Arbeit à la DDR ist schließlich passé, der Held der alten Griechen erst recht.
Und der Held des Alltags: ja, vielleicht, den gibt es noch, gelegentlich wird er gar für seine Zivilcourage geehrt. Abgesehen davon: Wenn man das Ganze ein bisschen umbenennt, gibt es natürlich noch Helden, Idole heißen sie, Stars.
Aber wenn die alle so müde sind: Warum soll man ihnen eine Ausstellung widmen? Warum das Form- und Gestenrepertoire einer erschlafften Spezies untersuchen, die keine Zukunft mehr gestalten wird? Doch, das ist nötig, sagen die Kuratoren. Es ist sinnvoll, um zu verstehen, wie Ideologien ihre "Helden" mithilfe der Künstler systematisch formen und wie schnell eine eigentlich unpolitische Geste in eine totalitäre zu verwandeln ist.
All dies fängt natürlich weit früher an als die Lebensreform-Bewegung eines Ferdinand Hodler, mit dem die Hamburger Ausstellung beginnt. Aber es ist ein interessanter Ausgangspunkt, um zu zeigen, wie schmal der Grat ist zwischen "lart pour lart" und instrumentalisierter Kunst ist.
Nehmen wir zum Beispiel Hodler: Eurythmisch-manieriert schweben seine Tänzerinnen vor Blumenwiesen dahin. Sie verkörpern die totale Alternative zur sich industrialisierenden und verstädternden Gesellschaft. Lebensreformer - unter ihnen auch Symbolisten wie Hodler - suchten nach einer modernen Spiritualität, nachdem die christliche ausgedient hatte. Sie wollten mehr Tiefe als die vermeintlich oberflächlichen Impressionisten.
Das konnte dann auch schon mal, wie die Kommunen und Gartenstadt-Siedler der Lebensreformbewegung, ein bisschen "völkisch" werden, und nicht von ungefähr suchten die Nazis, die Naturheilkunde der Lebensreformer später für die Verbesserung der "rassischen Gesundheit" einzusetzen.
Aber Hodler war kein Ideologe, und die Grenze zur Politik überschritt dieser Träumer nie. Das tat der zweite Künstler der Hamburger Schau: Aleksandr Dejneka, jener Maler des Sozialistischen Realismus, über den Kunsthallen-Chef Hubertus Gassner im Katalog-Vorwort schreibt, er habe sich ab 1930 dem "verordneten Sozialistischen Realismus" gebeugt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Wie man spät - im Anhang des Katalogs - erfährt, muss Dejneka sehr überzeugt gewesen sein, hat er doch große Mosaiken für den Kreml gestaltet und war Vizepräsident der Kunstakademie der UdSSR. Dafür wurde er als "Held der Sozialistischen Arbeit" geehrt. Zu den führenden Künstlern des Sozialistischen Realismus zählt Dejneka trotzdem nicht, weshalb man ihn im Westen kaum kennt.
Da ist es schon interessant, dass die Hamburger Schau ganz neue, überraschende Parallelen findet: die fast wörtliche Übernahme Hodlerscher Gesten durch Dejneka - etwa die der "Schreitenden" in Dejnekas "Fußballspieler". Dejneka hat den Hodlerschen Figuren das Esoterische und ihren Blumenteppich weggenommen und sie in futuristische Idole der Arbeit verwandelt. Er hat sie zwischen Maschinen geklemmt, denen sie im Gestus ähneln.
Man könnte also sagen: Dejneka hat Hodler ins Gegenteil verkehrt, auch inhaltlich: Denn der sozialistische "Neue Mensch" hatte nichts gemein mit dem "Neuen Menschen" Hodlers und der Lebensreformer. Für sensible Träumer war im pragmatischen Realsozialismus kein Platz.
Eigenartig ist, dass die Ausstellung Dejnekas Werk nur bis 1930 zeigt - und nicht auf dem Zenit seines realsozialistischen Schaffens. Die Kuratoren sagen, solcherlei Gemälde hätten zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das mag stimmen, aber trotzdem bleibt die Schau so unvollständig und ein bisschen unredlich. Denn man kann Dejneka schwer einordnen, wenn man seine weitere Karriere nicht kennt und das könnte zu Verharmlosungen führen. Auch wird der Betrachter der Chance beraubt, den Schnitt vom "Anfänger" zum "Profi" des Sozialistischen Realismus zu erkennen.
Die Ausstellung setzt stattdessen woanders an: beim Link zwischen Hodler und Dejneka. So findet man sich zwischen einem Hodler- und einem Dejneka-Bild, und der Hodler ist symbolistisch-entrückt und Dejneka in visionäres Licht getaucht. Und man fragt sich, wie der Zwischenschritt, der missing link aussehen könnte. Der im Gras kniende Junge in Hodlers "Anbetung" gleicht auffallend Dejnekas "Jungem Pionier", der zwei Flugzeugen nachschaut. Und man ist ein bisschen erschreckt über diese Wende - sie sitzen quasi spiegelverkehrt nebeneinander - und fragt sich, ob es Hodler gefallen hätte, seine Figuren so verfremdet zu finden.
Und eigentlich hätte man es dabei bewenden lassen können: dass der Betrachter darüber nachdenkt, ob es nur das Licht ist - oder ob es noch andere Kniffe gibt, die aus einer symbolistischen Figur eine realsozialistische machen.
Aber die Kuratoren wollten Vollständigkeit, und deshalb haben sie als Dritten Neo Rauch hinzugenommen, der eine aus beidem bildet und - historisch gesehen - auch das Schlusskapitel schreibt. Denn bei Rauch sind die Helden müde im Wortsinn: Ein Jüngling im billigen Trainingsanzug, der nicht mal mehr aus Trotz getragen wird, balanciert ein Tablett mit Quecksilber und will qua Alchemie Träume verwirklichen, für die er selbst keinen Mumm hat.
Neo Rauch selbst ist eher ein Alchemist des Zitierens: Er bringt Hodler und Dejneka tatsächlich zusammen, bedient er sich doch symbolistischer und realsozialistischer Figuren und lässt sie in freudianisch-surrealen Traumverliesen ins Leere laufen: Seine Figuren tun zwar etwas, aber ohne Ziel. Sie säen, aber nicht aufs Feld. Sie reparieren Autos, aber fahren nicht. Und die Umwelt ist sowieso im Eimer.
Dabei bedient sich Rauch, wie üblich, des antiquierten Riesenformats des Historiengemäldes, und so richtig scharfzüngig ist er nicht, wenn er den sozialistischen "Helden der Arbeit" erschlaffen lässt. All dies wird vielmehr höchst verträglich dargeboten und ist brav an die Gesetze des kapitalistischen Markts angepasst: Rauchs Auftragsbücher sind voll. Die Gesellschaft scheint sich gut zu fühlen zwischen diesen müden Helden. Die können ihr zumindest nicht bedrohlich werden.
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