Ausstellung in der Frankfurter Kunsthalle: I want to be a machine
Können Maschinen Kunst produzieren? Auf der Ausstellung "Kunstmaschinen - Maschinenkunst" kann man sich jedenfalls einen eigenen Hirst oder Tinguely herstellen.
Noch kein Weihnachtsgeschenk für die kunstinteressierte Verwandtschaft? Wie wärs mit einem Damien Hirst? Ein Tinguely? Unbezahlbar? Mitnichten. Mit acht Euro sind Sie dabei, ermäßigt sechs. So viel kostet der Eintritt in die Frankfurter Kunsthalle Schirn. Dort wird gerade die Ausstellung "Kunstmaschinen - Maschinenkunst" gezeigt. Und es gibt Kunst zum Mitnehmen, gratis.
Fein ziselierte geometrische Zeichnungen von Olafur Eliasson, knatschbunte beautiful drawings von Damien Hirst, zeitlose Stempeldrucke von Jean Tinguely, dem Schweizer Pionier der Maschinenkunst. Oder Pawel Althamers Polyethylenflaschen, weiß mit türkisfarbenem Verschluss. Die sehen ein bisschen aus wie Meister-Proper-Puppen. Dabei sind sie dem nackten Vater des Künstlers nachempfunden. Machen sich gut auf der Fensterbank.
Nur Pollock ist nicht zum Mitnehmen, den gibts im Netz - www.jacksonpollock.org: Make your own kind of Pollock! Die Sache hat nämlich einen kleinen Haken. Die Hirsts, Tinguelys und Althamers muss man sich selber machen beziehungsweise machen lassen. Von Museumsmitarbeiterinnen. Die wachen darüber, dass man die Vervielfältigungsapparate der Kunststars nicht zweckentfremdet.
Ordnungsgemäß behandelt, spucken Zeichenmaschinen und Bottle Machine Kunstwerke aus, die eindeutig die Handschrift ihrer Schöpfer tragen, aber nicht tatsächlich per Handarbeit von diesen erschaffen wurden.
Auftritt Michel Foucault: Was ist ein Autor? Schwieriger noch, Foucault 2.0: Was ist ein Autor im Zeitalter der digitalen Allesverfügbarkeit?
Diesen nicht mehr ganz neuen Fragen geht die Frankfurter Ausstellung nach. Die Antworten des Kuratorenteams fallen eindeutiger aus als vermutet. Ironischerweise beamt nämlich ein Großteil der kunstproduzierenden Maschinen den Betrachter respektive den Kunst mit nach Hause nehmen wollenden Handlanger zurück in die Ära der fordistischen Fließbandproduktion. Inspiriert vom Detroiter Autobauer Henry Ford, kreieren Künstler Maschinen, die zwar den Regeln industrieller Präzision folgen, zugleich aber eine gewisse Kontingenz für sich in Anspruch nehmen.
Diese Maschinen wiederum produzieren Gegenstände - also irgendwie auch: Waren, denen die Signatur des Maschinenerfinders eingeschrieben ist. Mit einem "offiziellen" Stempel versehen, darf man seinen Hirst und Eliasson nach Hause tragen.
An diesem Punkt beißt sich Karl Marx in den Schwanz. Das Verhältnis von Tausch- und Gebrauchswert der Ware tendiert ins Polymorph-Perverse. Nicht besser ergeht es der F-Frage: Was ist ein Autor? Was ist eine Autorin?
Für die Kuratoren der Frankfurter Ausstellung - Katharina Dohm von der Schirn und Heinz Stahlhut vom Baseler Tinguely Museum - "setzt die Kombination von Kunst und Maschine eine Abkehr vom traditionellen und statischen Kunstbegriff voraus". In der Maschinenkunst sehen sie eine lebendige Kritik an der tradierten "Vorstellung des künstlerischen Individuums als einem schöpferischen Genius." Gerade jetzt sei diese Kritik so wichtig, wo es nur so wimmele von Künstler-Genie-Millionären. Die Namen Meese, Rauch und Richter müssen nicht eigens erwähnt werden, die Big Egos sind auch in Abwesenheit spürbar.
Jean Tinguely ist seit 16 Jahren tot, Foucault seit 23. Inzwischen ist das Schöpfergenie von vielen Sockeln gestoßen worden, der Autor viele Tode gestorben - doch beide haben sich immer wieder erholt. Im Falle von Hirst trägt die Maschine noch zur Mehrung des Schöpferruhmes bei. Lange Besucherschlangen, alle wollen ihren ganz eigenen automatischen Hirst. Business as usual so weit. Was aber heißt das für die komplexen Beziehungen zwischen Kunst, Maschine und Genie?
Die Kritik am Geniekult ist so alt wie das Genie an sich. Das eine kann nicht existieren ohne das andere. Haben wir es also mit zyklischen Bewegungen zu tun? Folgt auf eine Phase der Infragestellung des Künstlergenies stets eine Periode der Götzenverehrung? Beide Modi operandi im Umgang mit Kunst und Künstler scheinen durchdekliniert, die antagonistischen Diskursfiguren so vertraut wie Don Camillo & Peppone, Bush & Bin-Laden, Techno & Rock, Boom & Backlash.
"Künstler wird Maschine wird Künstler" - so überschreibt Justin Hoffmann seinen Katalogtext. Hoffmann ist der richtige Mann für den Job, als Gründungsmitglied von FSK (Freiwillige Selbstkontrolle) kann er die Tür zum Pop öffnen. Seit bald drei Jahrzehnten dilettiert, experimentiert und rotiert die Münchner Band im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine, Autor und Zitator. Kontinuität im Wandel, from Station to Station.
Ein konstanter Bezugspunkt in der Arbeit von FSK ist Andy Warhol. Dessen Wunsch "I want to be a machine" schwebt wie ein geflügeltes Wort über der Ausstellung. Produziert hat das Pop-Genie bekanntlich in der Factory. In seiner Fabrik hat Andy Warhol Andy Warhols Superstars hergestellt, in Serie. In den Achtzigern stellt die Firma Factory aus Manchester dann Schallplatten her, vor allem von New Order und ihrer Vorgängerband Joy Division.
Deren Sänger Ian Curtis machte sich - was einigermaßen paradox klingt - 1980 mit seinem Selbstmord unsterblich. Gerade wurde sein Leben verfilmt. Maschine und Geniekult schließen sich also nicht aus, nicht in der Kunst und nicht im Pop.
Eine Kritik an Schöpferkult und regressiven bis reaktionären Künstlerbildern kann sich, so angebracht sie ist, nicht mit dem Rekurs auf zum Teil jahrzehntealte Maschinenkunst begnügen. Was nicht gegen die Maschinenkunst spricht.
Eher schon gegen den Popanz vom "traditionellen und statischen Kunstbegriff". Der ist längst delegitimiert, der neue Feind aber lässt sich nicht mehr wirksam angreifen mit Maschinen von vorgestern. Like MTV/WWW/USW never happened.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin