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Ausstellung Gert und Uwe TobiasOrnamentik und Traum

Nachtblaue Großdrucke, Retro-Typografie, bausteinbunte Abstraktion: die Brüder Gert und Uwe Tobias stellen im Hamburger Kunstverein aus.

Brave Hängung: Tobias-Arbeiten an Kunstvereins-Wänden. Bild: Alistair Overbruck

HAMBURG taz | Zwillinge aus Transsylvanien: Wie anders kann deren Kunst aussehen, als tagsüber folklorebunt und nachts düsterdräuend und fledermausverschattet. Beim heiligen Graf Dracula, was für ein Klischee! Die 1973 im rumänischen Brasov - Kronstadt - geborenen Gert und Uwe Tobias spielen selbst mit diesen unausrottbaren Projektionen. Und tatsächlich liegt die Kunst der beiden irgendwo zwischen umgedeuteter Bauernornamentik und nachtseitigen Traumvisionen.

Mit ihren Drucken, Collagen und Gemälden haben sie jetzt die 1.300 Quadratmeter des Hamburger Kunstvereins vereinnahmt - mitsamt Foyer und Treppenhaus. Das ist Konzept: Zu Beginn jeden Jahres lässt Direktor Florian Waldvogel das Haus von Künstlern komplett neu gestalten und fügt in diesen Rahmen dann die weiteren Ausstellungen ein.

Wände in Nachtblau

Trotzdem ist dabei eine recht brave Bilderhängung herausgekommen: Ein Großteil der Wände wurde in Nachtblau gestrichen, eine Farbe, die oft auch als Bildgrund für die großen Holzschnitte auftaucht. Diese oft metergroßen Bilder sind aus einzelnen Holzschablonen eher gestempelt als gedruckt. Und alle sind sie Originale, was bei dieser Technik eher unüblich ist.

Jedes Motiv wird nur zweimal hergestellt, und das auch noch mit kleinen Abweichungen. Die aus dem Dunkel leuchtenden, erst einmal harmlos-sympathischen Figurationen entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als böse Blumen und vom Himmel gestürzte Vögel aus einer Zone, in der dauernd Georg Kreislers morbides Chanson "Komm, gehn ma Taubn vergiftn im Park" erklingen könnte.

Manches erinnert in seiner bausteinbunten Abstraktion auch an das Spielzeug ungeratener Kinder, beispielsweise der gruselkomischen "Addams Family": Man kann sich vorstellen, wie im Schatten bunter Monsterschmetterlinge die handgeschnitzten Spielsachen mutwillig zerpflückt und hämisch lachend wieder falsch zusammengesetzt werden. Die Zwillinge, so heißt es, haben sich auch vom Stickmusterbuch der Mutter inspirieren lassen.

Mit 13 Jahren kamen die Brüder mit ihren Eltern als Spätaussiedler von Siebenbürgen nach Deutschland. Und jetzt, nach ihrem Studium bei Walter Dahn an der Braunschweiger Akademie, vermischen sich in ihrem Kölner Atelier ferne Erinnerungen und neue Phantasien, alte Geschichten und aktuelle Nachforschungen. Vor acht Jahren erregten sie mit einer ausdrücklich auf Transsylvanien und Vampirfilme bezogenen Ausstellung erstmals in Köln Aufmerksamkeit - und der dunkle Zauber wirkte: Schon 2007 konnten sie im New Yorker Museum of Modern Art ausstellen.

Aus den Vereinigten Staaten kamen die ebenfalls stilisierten, bunten Natur-Abstraktionen, die der Kunstverein im vergangenen Sommer erstmals in Deutschland zeigte: ornamentale, der Gebrauchskunst nahe Tiere und Blumen von Charley Harper aus Cincinnati. Diese Ähnlichkeiten im Programm sind nur an der Oberfläche vergleichbar.

Entfernte Traumwelt

Die Brüder Tobias übersetzen nicht mit pädagogischen Hintergedanken die Formen der Natur in prägnante Bildzeichen. Sie generieren vielmehr eine eigene, nur noch entfernt verortete Traumwelt. "Rumänien", "Siebenbürgen", "Die Karpaten" oder "Jenseits der Wälder" heißen die Bücher, die von den Gegenden ihrer Kindheit handeln und hier in vier Vitrinen präsentiert werden. Doch die biographischen Referenzen wurden umgestaltet und sind mit der Tobiasschen Bildwelt überformt, ähnlich den ungestalten, vage figürlichen Keramiken, die im Foyer aus dem Sockel gewöhnlicher Haushaltswaren zu wachsen scheinen.

Eine Serie von spröden Schreibmaschinenzeichnungen verblüfft dann wiederum die Generation der Smartphone-Nutzer mit einem Retrolook, der weniger Freude hervorlockt über die aus o,0, /,+," und = zusammengesetzten Figuren mit hohen Hüten und auch mal Fledermausflügeln - als die dringende Frage aufwirft nach längst Vergessenem: Was ist nochmal eine Schreibmaschine?

Faszinieren kann eine weitere hier zu erlebende Art, zu malen: In düster angedeuteten Formen blitzen auf kleinen grauen Leinwandbildern unheimlich helle Augen auf. Diese bocksohrigen und schwanznasigen Köpfe rufen einen Nachklang jener langen Tradition monströser Gestalten hervor, die von mittelalterlichen Höllendarstellungen über Hieronymus Bosch und Francisco de Goya zu Max Ernst führt. Oder, trivialer, zu Paul Wunderlich, Ernst Fuchs und wohlfeilem Plattencover-Surrealismus.

Andere Bilder der Brüder, die eine genauere individuelle Arbeitsteilung und Zuordnung der Urheberschaft nicht wünschen, arbeiten mit Reihungen und Rasterungen: In ihnen erfährt die Addition der Formen erstaunlich entschieden eine Struktur. In übergroßen, klar gegliederten Graphiken geht es fast zu wie bei der frühen Pop-Art: Einfache Rasterpunkte werden dynamisch, große Buchstaben tanzen die Typographie wie Puppen eines konstruktivistischen Balletts.

Ausgeklügeltes Produkt

Die Hamburger Ausstellung soll "fremd und zeitlos" wirken, sagen die Zwillinge. Doch sie ist ein ganz zeittypisch informiert ausgeklügeltes Kunstmarkt-Produkt, teuer gehandelt und doch weitgehend nur Kunstgewerbe. Weil sie so hemmungslos mit den Klischees eines bösen Kindergartens spielt. Weil sie ihre Stilisierungen gekonnt, aber nutzlos formalistisch setzt. Und weil sie noch den letzten Rest surrealistischer Irritation auf Teenagerniveau ins Foyergefällige verflacht.

bis April 2012, in Teilen bis 18. November, Hamburg, Kunstverein

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