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Aussteigerin auf Zeit

Sie dekonstruierte schon um die Jahrhundertwende die Idylle des Landlebens: Die Hamburger Schriftstellerin Sophie Jansen  ■ Von Kai Dohnke

Sie hatte zweifellos einen eigenwilligen Kopf, die Schriftstellerin Sophie Jansen, ob in ihrem künstlerischen oder politischen Tun. Mit dem Buch Sophiensruh präsentierte sie dem literarischen Mainstream der Jahrhundertwende ein Gegenbild, später widersetzte sie sich den Verfolgungsmaßnahmen der Nazis auf elementare, kompromißlose Weise.

Die äußeren Umstände ihres Lebens lassen anfangs nicht erwarten, daß die 1862 in Hamburg geborene Sophie Schlomann einst in literarischen Kreisen von sich reden machen wird. Die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns wächst in Breslau und später in Dresden auf, hier lernt sie – vermutlich über einen Heiratsvermittler – den Rechtsanwalt Max Josephson kennen. 1882 heiraten die beiden und ziehen nach Hamburg um. Als getaufte Juden versuchen sie, sich in der hanseatischen Gesellschaft zu etablieren.

Ein radikaler Bruch mit der traditionellen Lebensweise, ein biografisches Experiment, zu dem Sophie ihren Mann drängt, wird schließlich Impuls für literarische Betätigung: Während in vielen provinziellen Regionen Deutschlands eine starke Landflucht herrscht, tun die Josephsons genau das Gegenteil: Sie ziehen 1895 aus Hamburg hinaus aufs Land. Auf Drängen seiner Frau kauft der Anwalt ein großes Gut in Grande bei Trittau, wo Sophie die Leitung des Gutes zu meistern versucht.

Sechs Jahre hält sie ihr Experiment durch, dann wird das Anwesen wieder verkauft. Der Untertitel ihres 1906 unter dem Pseudonym Jansen veröffentlichten Buches über diese Zeit ist vielsagend: „Wie ich mir das Landleben dachte, und wie ich es fand“. Während die Schriftsteller der Heimatkunstbewegung erzählerische Idyllen konstruieren und die bäuerliche Existenz glorifizieren, demontiert die Autorin solche Wunschbilder und beschreibt auch die Schattenseiten ländlicher Arbeit.

Die Kritik nennt ihr Buch ein „dokumentarisches Stück Kulturgeschichte der Gegenwart“ – und es ist noch dazu ein gut lesbares: Mit großem Erzähltalent und sicherem Gespür für anekdotische Szenen läßt Sophie Jansen ihre sechs Jahre Aussteigerleben Revue passieren. Sie entwirft ein Kaleidos-kop aus alltäglichen Mühen, humorvollen Begebenheiten und naiv-skurrilen Personen, das an die humoristischen Romane Fritz Reuters erinnert. Rasch erlebt das Buch zwei Folgeauflagen.

In Hamburg arbeitet die Aussteigerin auf Zeit an einem zweiten Buch, der Familiengeschichte Friede Wend. Der Roman erscheint 1908; trotz besserer Personenzeichnung und höherem literarischen Niveau bleibt der Markterfolg jedoch aus. 1909 läßt Sophie Jansen die Kindergeschichte Bebi und Bubi folgen, veröffentlicht dann aber nichts mehr.

1916 stirbt Max Jansen, der das Pseudonym seiner Ehefrau angenommen hatte. Das Vermögen wird durch die Inflation aufgezehrt, und mehr schlecht als recht hält Sophie sich und ihre zwei Kinder über Wasser. Sozial ist die energetische Frau sehr aktiv und unternimmt sogar als 74jährige noch eine beschwerliche Reise nach Mexiko. Dann aber bekommt sie die Repressalien der Nazis immer deutlicher zu spüren; als Juden den Stern tragen müssen, verläßt sie ihr Haus nicht mehr.

Im Sommer 1942 schließlich wird der Druck für sie unerträglich: Am 17. Juli nimmt sie sich das Leben – letzter Ausweg, um der für den Folgetag angeordneten Deportation zu entgehen. Literarisch ist Sophie Jansens ungewöhnliches Werk heute vollständig vergessen.

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