Ausschreitungen in Kirgistan: Ein Toter und viele Verletzte
Anhänger des ehemaligen Präsidenten wollten seine Festnahme verhindern. Das endete in blutigen Ausschreitungen.
Er sieht sich unter anderem Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, die er bestreitet. Sondereinheiten wollten der Agentur Akipress zufolge das Haus des früheren Staatsoberhauptes stürmen. In dem Dorf Koj-Tasch in der Nähe von Bischkek hätten sich etwa 1.000 Gefolgsleute Hunderten Uniformierten in den Weg gestellt. Atambajews Anhänger hätten mit Bussen und Autos Barrikaden errichtet.
Die Sicherheitskräfte wollen Atambajew zu einem Verhör zu den Anschuldigungen zwingen. Der Ex-Präsident von Kirgistan verweigerte dies, sicherte aber die Bereitschaft zu, schriftlich zu antworten. Er ließ mitteilen, dass er in Sicherheit sei und weiter auch mit Waffengewalt Widerstand gegen seine Festnahme leisten werde.
Auf Videos waren Schüsse zu hören. Das kirgisische Sicherheitskomitee bekräftigte, es seien nur Plastikkugeln zum Einsatz gekommen. Es werde keine scharfe Munition gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Am Donnerstag hätten die meisten Sicherheitskräfte das Dorf wieder verlassen, „um weitere Zusammenstöße zu vermeiden“.
Chef des Sicherheitskomitees bietet Rücktritt an
Präsident Sooronbaj Scheenbekow warf seinem Amtsvorgänger vor, zum bewaffneten Widerstand aufgerufen und damit gegen Gesetze verstoßen zu haben. Kirgistan sei ein Rechtsstaat, sagte er nach einer Sitzung des Sicherheitsrats. Es würden alle Maßnahmen ergriffen, damit Frieden, Sicherheit und die Rechtsstaatlichkeit gewährleistet bleibe. Für den Abend (Ortszeit) war in Bischkek eine Kundgebung angekündigt worden. Einkaufszentren hätten deshalb schon früher geschlossen.
Sechs Soldaten befanden sich auch Stunden nach den Auseinandersetzungen noch in der Hand von Anhängern des Ex-Präsidenten. Sie seien verletzt und würden von Ärzten betreut, hieß es. Derweil bot der Chef des Sicherheitskomitees nach dem Tod eines Soldaten seinen Rücktritt an. In lokalen Medien wird er mit den Worten zitiert: „Ich hätte das gesamte Team von 3.500 Kämpfern einsetzen sollen. Dann wäre das nicht passiert.“
Das verarmte Hochgebirgsland galt lange als Insel der Demokratie inmitten autoritärer Staaten in Zentralasien. Kirgistan hatte bereits mehrere Revolutionen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt. Scheenbekow hatte Atambajew im Oktober 2017 abgelöst. Es war der erste Machtwechsel, der nach Umstürzen in den Jahren zuvor friedlich ablief.
Russische Politiker äußerten sich besorgt über die Entwicklung. Auch Präsident Wladimir Putin, der als Vertrauter von Atambajew gilt, lasse sich über die Lage fortwährend informieren, teilte der Kreml mit. Russland sieht Kirgistan als seinen Einflussbereich an.
Das russische Außenministerium stellte aber klar, Moskau betrachte die Ereignisse in Kirgistan als eine innere Angelegenheit des Landes. Der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, Sergei Naryschkin, gab der Agentur Tass zufolge aber zu bedenken: Dieser Konflikt sei gefährlich für die Menschen in Kirgistan.
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