: „Ausrutscher nach Gutsherrnart“
München (taz) - „Diese Seite find ich einfach widerlich“, so die erste Reaktion der Journalistin Evelyn Roll, die seit sechs Jahren im Lokalteil der Münchner Süddeutschen Zeitung arbeitet, zur umstrittenen Taz–“Pornoseite“.“Da hätte es bei uns auch Krach gegeben.“ Doch in der Süddeutschen Zeitung wäre es nach Ansicht der 35jährigen kaum möglich, per Frauenstreik in einem ähnlichen Fall das „Corpus delikti“ zum Thema zu machen. „Bei euch gibt es mehr Frauen“, stellt sie fest. Trotzdem: „Die Jungs bei uns wissen, daß sie sich sowas nicht leisten können“, glaubt sie. Obwohl das Bewußt sein der Männer in Sachen Frauendiskriminierung und Sexismus da sei, seien jedoch immer noch „Ausrutscher nach Gutsherrenart“ möglich, die feministische Sprachkritik auf den Plan rufen würden, so etwa im Umgang mit Namen. Brandneu bei der SZ: ein loser Frauentreff. Anwesend waren jedoch bisher nur die schreibenden Frauen. Das soll sich jedoch in Zukunft ändern. Die Münchner Abendzeitung hat mit Anneliese Friedmann ja sogar eine weibliche Herausgeberin. Die Chefin des Boulevardblatts möchte jedoch lieber als „Herausgeber“ bezeichnet werden. Erst vor kurzem gabs im Blatt Knatsch wegen einer Serie mit dem Titel „Liebe per Kleinanzeige“. „Irritationen“ gabs darüber bei Frauen wie auch Männern. Doch eingestellt wurde die Serie deshalb nicht. Auch hier ist eine Situation, daß die Frauen sich zusammenschließen und „irgendetwas stoppen“, so die Politikredakteurin Christine Schulz (32), nicht möglich. Und auch hier, scheints, ist der „bewußte Mann“ keine Ausnahme. Das obligatorische „Männeranmachfoto“ mit dem „willigen Weibchen“ ist für die Journalistin kein Problem: „Nur nuttig darf es nicht sein.“ Mit der Bemerkung „Ich hol ihn über die nackte Frau in die Zeitung“, hält sie es für legitim, den Leser auf diese Art zu ködern. Denn vielleicht liest er ja dann auch anderes und Besseres. „Am Anfang haben wir mal eine Nacht lang durchgestritten, bis die Männer vor Müdigkeit aufgaben“, erzählt die Chefin vom Dienst des Zeitgeistmagazins Wiener, Sabine Fleischacker. Auf diese Art konnten die Frauen Formulierungen auf dem Titelblatt, die ihnen sexistisch erschienen, verhindern. Doch im allgemeinen sei frau im Wiener nicht so prüde und kein Streik notwendig. Denn: „Wir haben uns noch immer zusammengerauft“. Luitgard Koch
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