Ausmarschiert: Dämpfer für Ungarns Rechtsextreme
Ein Gericht in Budapest verbietet die "Ungarische Garde". Rechte Schläger sollen für mehrere Anschläge auf Roma verantwortlich sein.
WIEN taz Die "Ungarische Garde" wurde Dienstag von einem Gericht in Budapest in einer erstinstanzlichen Entscheidung verboten. Die "Magyar Gárda" ist eine Art paramilitärische Formation der rechten Jobbik-Partei und wurde im Sommer 2007 gegen die "Zigeunerkriminalität" gegründet. Nach Ansicht des Gerichts ist die Rolle der "Ordnungshüter", die die Garde für sich reklamiert, ebenso gesetzwidrig, wie ihre antisemitischen Parolen und militanten Auftritte gegen die Roma-Minderheit.
Der Vorsitzende Gábor Vona, gleichzeitig auch Jobbik-Chef, legte Berufung ein. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Auch gegen die Aufmärsche der Extremisten gibt es vorerst keine Handhabe. Denn aufgelöst wurde durch den Richterspruch nur der Trägerverein, der dem Vereinsrecht widerspreche. Die Mitglieder verstehen sich aber als Teil einer Bewegung, und auf diese treffen die Bestimmungen des Vereinsrechts nicht zu.
Offizieller Vereinszweck sind "Traditionspflege und kulturelle Aktivitäten". Doch die an die faschistischen Pfeilkreuzler gemahnenden Uniformen und die aggressiven Sprüche gegen die Roma lassen wenig Zweifel am Charakter der "Ungarischen Garde" aufkommen. Die Rechtsextremen werden auch hinter einer Reihe von Anschlägen auf Angehörige der Minderheit vermutet. Allein im vergangenen November starben vier Roma bei Attentaten. Anfang dieser Woche wurden im nordostungarischen Dorf Alsozsolca Schüsse auf einen 19jährigen Rom abgegeben.
Die "Roma-Kriminalität" ist ein Problem, das in Ungarn als zunehmende Plage empfunden wird. Tatsächlich weiß jede und jeder über Fälle zu berichten, dass Villen geplündert und Eigentümer, die Anzeige erstatteten, von Roma-Clans verprügelt worden seien. Der massive Mundraub von Äckern hat Bauern schon zur Errichtung tödlicher Elektrozäune veranlasst.
Mit rund sechs Prozent der Bevölkerung sind die Roma die größte Minderheit und entschieden die ärmste. Die meisten Familien leben seit Generationen von Sozialhilfe. Geregelte Arbeit finden sie kaum. Jobbik, die Mutterpartei der Garde, will per Referendum die Einschränkung von Sozialleistungen und die Verschärfung von Strafgesetzen durchsetzen. Unter der ungarischen Mehrheitsbevölkerung genießen die Parolen der "Ungarischen Garde" daher gewisse Sympathie. Auch ihr Eintreten für Großungarn in den Grenzen von 1918 stößt auf wenig Protest. Ungarn verlor durch den Friedensvertrag von Trianon 1919 zwei Drittel seines Territoriums. Das nationale Trauma spukt immer noch durch viele Köpfe.
Seit ihrer Gründung 2007 ist die "Ungarische Garde" auf über 1.300 Mitglieder angewachsen. Regelmäßig marschieren Trupps durch Roma-Siedlungen. Von Gewalttaten distanziert sich der 30 Jahre alte Kommandant Gábor Vona.
Ob das Verbot, unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens, den Aufschwung der extremen Rechten bremst, wird sich bei den Wahlen spätestens 2010 zeigen. Zuletzt war Jobbik deutlich unter der Hürde für den Parlamentseinzug geblieben.
RALF LEONHARD
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