■ Ausgehen: Irisch, aber echt
Die besten Musiker Nordirlands spielen im Crosskeys Inn, dem schönsten Pub der Grünen Insel. Er ist nicht leicht zu finden, obwohl es an der Straße von Portglenone nach Randalstown in der nordirischen Grafschaft Antrim inzwischen ein kleines Hinweisschild gibt. Wie alt die Kneipe ist, weiß niemand genau. Es könnten gut 250 Jahre sein, wie eine Untersuchung des strohgedeckten Dachs ergeben hat. Früher führte die Hauptstraße von Belfast nach Derry an dem Pub vorbei. Dort, wo heute der Parkplatz ist, wechselte die Postkutsche die Pferde.
Die auf die Fensterläden aufgemalten, gekreuzten Schlüssel sind Teil des Wappens von St. Patrick, dem Schutzpatron Irlands. Patrick war auch der Heilige des alten Ordens der Hibernier, der regelmäßig im Crosskeys Inn tagte. Damals gab es in dem Laden auch Lebensmittel sowie ein Postamt. Davon künden uralte Rechnungen im Schankraum. Am Nachmittag, wenn der Pub noch recht leer ist, wirkt er wie ein Museum: An der Decke hängen unter anderem ein hölzerner Zigarettenautomat, eine Gasmaske aus dem Ersten Weltkrieg, eine Muskete; im Flur gibt ein 150 Jahre altes Plakat Ratschläge, wie man die Kartoffelpest besiegen kann, verblaßte Reklametafeln werben für längst vergessene Genüsse.
Doch abends, wenn sich der Pub füllt, ist von Museumsatmosphäre keine Rede mehr. Dann legen die Musiker im „Big Room“ los. Touristen und Einheimische drängeln sich an den kleinen Tischen im Kerzenschein und bugsieren Tabletts voller Guinness oder Bushmills durch die Menge. An der Wand hängt ein Bleistiftporträt von Mickey McIlhatten, dem legendären Schwarzbrenner.
Wenn sich die Musikanten die Seele aus dem Leib spielen und im „Big Room“ kein Durchkommen mehr ist, dann öffnet Inhaber Eamonn Stinson schon mal die Küche für die Gäste, und im Handumdrehen beginnt eine zweite Session. Wenn in dem riesigen Kamin, wo Kessel und Töpfe am Haken hängen, ein Feuer lodert und knisternd die Musik untermalt, dann versteht man, warum die Fremdenverkehrszentrale einen Werbefilm in diesem Pub gedreht hat. Ralf Sotscheck
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