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Ausgehen und rumstehen von Stephanie GrimmIn der Einschlafphase passt nix zusammen

Eigentlich hat der Spätsommer bisher geliefert – selten glänzt die Welt so schön wie im brüchig-goldenen Septemberlicht. Doch das Körpergedächtnis ist nicht blöd. Es weiß genau, was hier anmoderiert wird, und reagiert prophylaktisch mit Schlappheit. Am besten gleich bis Ostern durchschlafen.

Dazu passt, dass „Vertikale Wale“ auf dem Spielplan steht. In Milena Michaleks Stück am Deutschen Theater steht eine Bettlandschaft auf der Bühne. Es geht ums Schlafen. Natürlich nur theoretisch – wir sind schließlich im Theater. Die vier Darsteller, eine Frau und drei Männer, quasseln nonstop auf geschmeidige Weise – und doch ziemlich random. Mit ihren thematischen Hakenschlägen sind sie jedenfalls nah dran an den absurden Gedankengängen, die in der hypnagogen Phase, wenn man langsam Richtung Schlaf driftet, im Kopf bisweilen wie Flipperkugeln umherschießen. Zwischendurch spielen die vier verschiedenste Konstellationen durch, mit denen man es in Schlafzimmern zu tun hat – auf eine sympathisch irrlichternde, angenehm undidaktische Weise. Da will man sich gleich mit in die Bettlandschaft werfen. Etwas verstörend ist allerdings das Fazit am Ende: Irgendwann, so heißt es, werde es keine Pyjama-Parties mehr geben. Die Drohung klingt nach naher Zukunft. Näher begründet wird das nicht. So plattgebügelt, wie ich von den dystopischen Lüftchen und Stürmen bin, die gerade allerorten durchfegen, glaube ich das jedoch sofort – ein weiteres Symptom für die voranschreitende Vereinzelung.

Weil’s so schön war, gucke ich am nächsten Tag in der Alten Feuerwache im Friedrichshain vorbei. Auch hier geht‘s um Schlaf. Allerdings deutlich befrachter. Nicht weniger als Widerstand wollen sie hier im Angebot haben: Die Ausstellung heißt „Sleeping Resistance“. Klar, mittels Schlaf kann man sich ziemlich allem entziehen: verschiedensten Formen des Konsumieren-Müssens oder Wollens, der leidigen Arbeit, ja sogar dem Bettpartner.

Aber hier kommt doch vieles konstruiert daher. Die Bilder von A. Stozke sehen gut aus, der Bezug erschließt sich jedoch nicht wirklich. Das Videospiel „Mbombo: Dream Echoes“, dem hier demnächst ein ganzer Abend gewidmet wird, lässt sich zwar starten. Aber dann geht es nicht weiter. Die Frau, die Aufsicht schiebt, kann nicht helfen.

Immer wieder bleibe ich Vorzimmer der Träume hängen. Immerhin liegt auch hier eine gemütliche Matratze im Raum. Je­de:r ist eingeladen, sie zu nutzen. Heute lasse ich das mal bleiben. Doch wo es jetzt langsam kühl wird und man nicht mehr im Park herumfläzen mag, könnte man hier durchaus bei Gelegenheit einchecken. Was die Frau, die den Raum beaufsichtigt, aber vermutlich doch komisch fände.

Sonntagabend gibt Anja Huwe – einst Sängerin der Band Xmal Deutschland, heute in erster Linie Bildende Künstlerin – das erste von zwei Konzerten in der Volksbühne. Obwohl das gruftig daherkommt, erwartbarerweise – Huwe spielt ein paar Songs von früher, vor allem aber ihr überraschend in die Welt gekommenes Soloalbum „Codes“ – und Goth Disco noch nie mein Ding war, macht der Abend großen Spaß. Vielleicht, weil abseits des Sounds nix zusammenpasst – ein bisschen wie in der erwähnten Einschlafphase. Die monochromen Visuals, die hinter die Band projiziert werden, reiben sich am quietschbunten Bühnenbild, welches Ida Müller für Vegard Vinges Ibsen-Inszenierung „Peer Gynt“ gebastelt hat. Die sichtlich vergnügten Huwe fotografiert zwischendurch mit ihrer Polaroidkamera Leute aus Publikum – und verschenkt die Bilder, bevor darauf etwas zu erkennen ist.

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