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Ausgehen und rumstehen von Robert MießnerVon Gustav Landauer zu Patti Smith

Der Donnerstag machte seinem Namen alle Ehre. Im Silent Green am Nettelbeckplatz im Wedding hatte die neue Folge der Veranstaltungsreihe Sonic Morgue begonnen, die der Musikkurator Christian Morin dort seit vorigem Jahr betreibt. Der Name Sonic Morgue verweist auf die vorherige Bestimmung des Gebäudekomplexes Silent Green: 1912 konnte hier nach dreijähriger Bauzeit das Krematorium Wedding seine Arbeit aufnehmen. Bauherr war der 1874 gegründete Verein für Feuerbestattung, nicht zu verwechseln mit dem 1905 gegründeten Verein der Freidenker für Feuerbestattung, dessen Gründer allerdings in beiden Organisationen aktiv war. Fortschritt kann verwirrend sein. Zum Konzert gelangte man durch einen Abstieg in die Unterwelt, es selbst geriet außerirdisch.

In der Betonhalle des Silent Green traten auf: der Musiker und Labelgründer Chandra Shukla an einer elektrifizierten Sitar; das Duo Sunroof, das sind Daniel Miller, wiederum Gründer von Mute Records, und Gareth Jones, bekannt geworden als Produzent von Depeche Mode und der Einstürzenden Neubauten; sowie die Krautrocklegende Faust. Mit letzteren ist es wie mit linken Splittergruppen: Es gibt mittlerweile drei geographisch und auch klanglich verschiedene Bandversionen.

Zur Berliner Faust gehören neben den Gründungsmitgliedern Gunther Wüsthoff und Werner „Zappi“ Diermaier die Neubauten-Musiker N.U. Unruh und Jochen Arbeit, Dirk Dresselhaus alias Schneider TM und Uwe Bastiansen, Elke Drapatz und Sonja Kosche. Sie spielten Stücke ihrer bei Chandra Shuklas Erototox Decodings erschienenen LP „Daumenbruch“, eine rhythmisch und atmosphärisch mäandernde, größtenteils instrumentale Musik, die auch ohne Worte viel bewegt.

Unruh hatte links und rechts von seinem selbstgebauten, filigranen und wuchtigen Metallschlagwerk zwei rot-weiße Verkehrsleitkegel drapiert und so dem Cover dem ersten Kraftwerk-Album Tribut gezollt, das im Jahr 1970 seiner Zeit voraus war.

Wort, Klang und Bild kamen zusammen, als Patti Smith am Sonnabend mit dem Soundwalk Collective im ausverkauften Großen Saal der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz eine Arbeit aufführte, die assoziativ um die Begriffe Widerstand und Desaster kreiste. Das sind Punkthemen per se, und es sind Patti-Smith-Themen. Zu ihrem Lesepult am vorderen Bühnenrand wurde Smith von Soundwalk-Collective-Gründer Stephan Crasneanscki geführt. Sie wirkte fragil, aber nur, so lange sie nicht über den Norden oder die Anarchie rezitierte oder sang. Dann nahm sie das ganze Theater ein.

Musikalisch lag die Wucht der Inszenierung in der bis auf wenige prägnante Ausnahmen radikalen Zurückgenommenheit, mit der das Soundwalk Collective agierte. Da wurde zu elektronischer Musik mit großer Geste zum Paukenschlegel gegriffen, um dem Instrument dann ein untergründiges, tiefes Murmeln zu entlocken, oder mit einem Eispickel auf einem Eisblock geklopft, gekratzt und gestrichen.

Die Bilder kamen gleich farbigen Schlieren unter einem zerkratzten Mikroskop daher, andere waren weniger dezent: Aufnahmen aus den verstrahlten Plattenbauten Tschernobyls, eine christliche Liturgie, in der die Farben förmlich brannten, Zitate aus Pier Paolo Pasolinis „Das 1. Evangelium nach Matthäus“ wie aus Abel Ferraras „Pasolini“ über die letzten Tage des Filmemachers, der nach Selbstauskunft Kommunist war, weil er konservativ war. Pasolini wurde 1975 unter bis heute nicht geklärten Umständen ermordet.

Entstanden ist die Volksbühne 1890 aus dem Verein Freie Volksbühne, der Theaterbau wurde von 1913 bis 1914 aus Mitgliederspenden finanziert. Einer der Förderer dieses modernen Arbeitertheaters war der Anarchist und Schriftsteller Gustav Landauer, der auch als Theaterkritiker arbeitete.

Patti Smith wirkte fragil, aber nur so lange, bis sie Texte über die Anarchie rezitierte

Am Sonntagnachmittag fahre ich also in die Wilhelm-Kuhr-Straße 87, in der Gustav Landauer, seine Frau Grete und ihre Tochter von 1895 bis 1897 parterre wohnten. In dieser Zeit beteiligte sich Landauer am Streik der Berliner Konfektionsschneider und fuhr zum Londoner Sozialistenkongress, der den Anarchisten allerdings die Tür wies. Gustav Landauer wurde in der Münchner Räterepublik zum Beauftragten für Volksaufklärung ernannt und schaffte die Prügelstrafe an den Schulen ab. 1919 wurde er von Präfaschisten ermordet. An seiner alten Pankower Adresse ist ein Antifa-Grafitto angebracht.

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