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Ausgehen und rumstehen von Beate SchederMan kennt das, Räume kommen, Räume gehen

Image Booster. Change Agents. Role Models. Die Frau auf dem Podium wirft mit Schlagworten um sich. In ihrem „Spotlight“ erläutert sie, welche Rollen Künstler*innen in Unternehmen einnehmen könnten. Ich schaue mich im Publikum um und kann auf die Schnelle keine Künstler*innen entdecken, die ich fragen könnte, welche davon sie sich für sich vorstellen können.

Die Frau ist Professorin für Public & Nonprofit-Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, heißt Berit Sandberg und ist mit Sheryl vermutlich weder verwandt noch verschwägert. Es ist früher Samstagabend des Berliner Marathonwochenendes. Ein Langstreckenlauf ist auch „Good to talk“, ein Marathon mit Gesprächen. Zum zweiten Mal findet die Veranstaltung statt, gut zwei Jahre nach der ersten, die von einer Handvoll engagierter Berliner Galerist*innen gegründet worden war, um über all die Themen zu sprechen, die sie umtrieben. Entstanden war die Idee damals aus der Katerstimmung nach der letzten Schrumpfausgabe der Kunstmesse abc heraus, als konstruktive Reaktion. 46 Stunden ging die erste Ausgabe, mit Talks, Performances und Musik, ein avanciertes Programm, bei dem viele Galerien beteiligt waren, verpasst habe ich es dennoch.

Bei der 12-stündigen 2019er Version bleibe ich dafür länger als geplant. Die Stimmung ist angenehm, besonders am Kamin, wo sich Vertreter*innen der Kunstwelt Fragen des Publikums stellen. Viola Eickmeier etwa erzählt, wie sie Kunstwerke produziert, und Diandra Donecker, wie solche versteigert werden. Nebenan verkauft der Künstler Eric Winkler seine Ready-to-Wear-Kunstwerke, bedruckte T-Shirts. Die Geschäfte liefen gut, sagt er. Überhaupt scheint es vor allem darum zu gehen, ums Geschäft, ums Geschäft mit der Kunst in der digitalisierten Welt, in Zeiten von AI und VR, um neue Allianzen. Wichtige Themen, klar.

Auf dem letzten Panel, das ich ansehe, sitzt auch Paul Bankewitz, Director of creative innovation bei der Factory Berlin. Die Factory hat gerade eine Künstlerresidenz am Standort Görlitzer Park vergeben, was ziemlich ironisch ist, schließlich war dort, bevor die Start-up-Schmiede einzog, ein Atelierhaus untergebracht. Im Februar war der Factory nicht nur deswegen von der Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser der „Weak Art Award“, ein Preis für herausragende Leistungen zur Schwächung der Kunst in Berlin, verliehen worden. Ob Bankewitz das weiß? Auf dem Podium erklärt er jedenfalls, sie wollten, dass Künstler einen Mehrwert darin sehen, Teil der Factory zu sein.

Ich habe erst mal genug vom Businesssprech und mache mich auf den Weg nach Moabit. Moabit lädt an diesem Wochenende zum Ortstermin. Mein Ortstermin ist eine Abrissparty. Die Künstlerin Lucia Kempkes unterhielt dort bis vor Kurzem mit ein paar anderen Künstler*innen ein Atelier mit angeschlossenem Projektraum. Nun ist es mit beidem aus und vorbei. Kündigung des Mietvertrags, keine Chance auf Verlängerung. Zum Abschied gibt es eine Ausstellung, Performances, selbstgemachten Pfeffi und keine Tränen. Man kennt das, Räume kommen, Räume gehen.

Der Schinkel Pavillon hat daraus eine ganze Veranstaltungsreihe gestrickt. „Disappearing Berlin“ belebt vom Verschwinden bedrohte Orte mit Performances. Am Sonntag ist das Baer­waldbad dran, das seit 2017 leer steht. Kurzfristig wurde verboten, das sanierungsbedürftige Bad für das Publikum zu öffnen, also versammeln sich rund 100 Leute Punkt 19 Uhr vor dem Bad vor einer Leinwand und sehen die Performance dort – von einem einsamen Polizisten beobachtet. Die Performance, die Tanz, Wort und Musik verbindet, bespielt mehrere Becken des Bades und endet mit zwei Anzugträgern, die im Nebel verschwinden. Hoffentlich kein schlechtes Omen für das Baerwaldbad.

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