Ausgehen und rumstehenvon Beate Scheder: Something fancy. Champagne and Oysters
Am Freitag arbeite ich zu Hause. Der Text, an dem ich schreibe, macht mich fertig. Zu Mittag gibt es, was da ist, Butterbrot mit Kimchi. Am frühen Abend gehe ich zum ersten Mal vor die Tür. Alles kommt mir anstrengend vor, der Verkehr, die Leute, das Gequatsche, die Gerüche.
In der n.b.k. merke ich, dass ich sozial nur langsam auftaue, und tue so, als sei ich total in die Kunst vertieft. Drei Eröffnungen gibt es: Unten stellen Künstler*innen aus, die ein Arbeitsstipendium des Berliner Senats erhalten haben; in der Artothek hängen Kunstaktien, gestaltet von Künstler*innen aus den Uferhallen; im Showroom präsentiert Arnold Dreyblatt eine Installation, die sich mit dem Abschweifen von Gedanken beschäftigt. Ich halte meine beisammen und mache mich auf den Weg zu Dittrich & Schlechtriem, wo die drusische Malerin Fatma Shanan ausstellt. Es ist ihre erste Einzelausstellung in der Galerie, sie wurde erst vor Kurzem ins Programm aufgenommen. Als erste Künstlerin.
Beim Dinner im Anschluss sitzt der Galeriekünstler Andrej Dubravsky neben mir. Dubravsky lebt in der Slowakei auf dem Land, in einem bukolischen Paradies mit Geflügel und Garten und malt ebensolche Bilder. In Berlin ist er nur für einen Abstecher. Er erzählt mir vom Konzert von Nicki Minaj, wo er am Vorabend war, von Einhörnern auf der Bühne und Minaj-Doppelgängerinnen im Publikum.
Weil im Hamburger Bahnhof zeitgleich die Party zur Verkündung der Shortlist des Preises der Nationalgalerie stattfindet, versuche ich auf Instagram herauszufinden, ob es sich lohnt noch hinzufahren. C. und A. sind dort. Seitdem die beiden zusammen sind, posten sie quasi identische Storys. Ich schaue mir trotzdem immer beide an, soll ja keiner denken, ich interessiere mich nicht. Eine halbe Stunde später nehme ich den Bus.
Dort angekommen wirkt es, als sei die Party schon fast vorbei. Ich lasse mir berichten, was ich verpasst habe. Offensichtlich nichts. DJ Eric D. Clark spielt Anne Clark, „Sleeper in Metropolis“. Sleep – gutes Stichwort.
Am Samstagabend bin ich mit J. verabredet. Sie wolle etwas anderes machen als sonst, hat sie am Telefon gesagt. Nichts, was mit Kunst zu tun hat, keine schäbige Bar in Neukölln: „Something fancy. Champagne and Oysters.“ Wir verabreden uns an der Solar Sky Bar, einer Bar in der Stresemannstraße oben über den Dächern von Berlin. Wir waren beide vorher noch nie dort. Mit dem gläsernen Aufzug geht es in den 17. Stock. Die Aussicht ist fantastisch.
Die Nicki-Minaj-Lookalikes, von denen Dubravsky gesprochen hat, fallen mir wieder ein. Keines zu sehen. Von Einhörnern ganz zu schweigen. Stattdessen Menschen jeden Alters in gebügelten Klamotten. Neben uns versucht ein Paar, dessen Beziehung allem Anschein nach eine geschäftliche ist, wieder und wieder auf einem Selfie möglichst alles einzufangen: sich selbst, die Drinks, die Aussicht.
Wir bestellen keinen Champagner, aber immerhin Crémant, der die genau richtige Temperatur hat. Nach einem Glas haben wir dennoch Sehnsucht nach unserer Blase und fahren nach Neukölln, ins O Tannenbaum zum Weeeirdos-DJ-Set.
Danielle, die Gastgeberin, hat sich die schwarzen Haare zu Kordeln gedreht und um den Hals einen jener Boaschals aus Pannesamtzotteln geschlungen, wie sie in den neunziger Jahren angesagt waren. Es sieht toll aus und passt zur Musik, die sie auflegt.
Als ich mich umdrehe, will ein Typ mir Feuer anbieten, obwohl ich gar nicht rauche. Das kenne ich auch aus den Neunzigern. Er beschwert sich bei mir, Frauen würden immer nur wissen wollen, was er beruflich mache, und sobald er es gesagt habe, sei das Gespräch zu Ende. Gefragt habe ich nicht, erraten habe ich es gleich. Er ist Immobilienmakler.
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