Ausfüllen statt ausfallen lassen

Hamburger Schulbehörde startet Erhebung zum Unterrichtsausfall. Auf die Ergebnisse freuen sich auch Lehrer und Schüler  ■ Von Judith Weber

Seit Monaten wird Hamburgs Bildungsbehörde für den angeblich horrenden Unterrichtsausfall an den Schulen der Hansestadt gescholten. Nun will das Amt wissen, was dran ist an den Vorwürfen von Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen: Die Schulbehörde startet eine großangelegte Umfrage, um herauszufinden, wieviele Stunden die Jugendlichen tatsächlich in der Cafeteria oder mit Kreuzworträtseln verbringen, statt planmäßig Physik und Latein zu pauken.

Einen Monat lang sollen die Schulen ab dem 1. April aufschreiben, wann, in welcher Klasse und warum Stunden ausgefallen sind. War die Lehrerin krank? Weilte sie mit einer anderen Klasse im Landheim, nahm an einer Fortbildung oder an anderen Schulveranstaltungen teil? Oder hatte sie frei, weil ihr Bruder heiratete?

Der zweite Teil des Fragebogens, der von Behörde und Vertretern der SchulleiterInnen gemeinsam erstellt wurde, beschäftigt sich damit, wie die Schulen Löcher im Stundenplan stopften. Sprang ein Religionslehrer für den anderen ein, wurde also das gleiche Fach unterrichtet? Bekam die Klasse statt Kunst eine Sonderportion Erdkunde? Oder ließ der Vertretungslehrer die SchülerInnen gar allein an einer Mathe-Textaufgabe knapsen?

Befragt werden Grund-, Haupt- und Realschulen genauso wie Gymnasien, Gesamt- und Berufsschulen. Bis Mitte Mai sollen sie die Untersuchungsbögen an die Behörde zurückschicken. Die wertet die Ergebnisse aus; was dann kommt, ist unklar. „Es geht erstmal darum, zu dokumentieren, wie die Lage wirklich ist“, erklärt Pressesprecherin Viola Griehl. Sanktionen für Schulen, an denen viel ausfällt, werde es nicht geben.

Das ist „schon mal ein Anfang“, lobt Anna Ammonn, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Auch der GEW fällt es schwer zu durchschauen, wie massiv der Unterrichtsausfall tatsächlich ist. Unzählige Berichte empörter Eltern, gestreßter Pädagogen und gelangweilter SchülerInnen zeichnen ein grelles Bild der Unterversorgung, das aber nie durch Zahlen untermauert wurde.

Seit Februar sind SchulleiterInnen zwar grundsätzlich verpflichtet, über Stundenausfall Buch zu führen und kurzfristige Lücken eigenständig zu schließen. Das sieht die Vertretungsrichtlinie vor, welche die Deputation der Behörde im Januar nach wochenlangem Hickhack verabschiedet hat. Eine brauchbare – oder gar repräsentative – Datensammlung ergibt sich daraus aber nicht. Die Anregung der CDU, die Schulen mögen ständig über Ausfälle berichten, stieß beim Amt auf Ablehnung.

Mit der Erhebung hat es Senatorin Rosmarie Raab (SPD) nun geschafft, alle Beteiligten zufriedenzustellen: Auch die SchülerInnenkammer freut sich auf die Ergebnisse. „Ist doch interessant, mal herauszufinden, wieviel wirklich ausfällt“, findet Jan Henning Günter. Eine pure Datensammlung sei jedoch nicht genug. „Wo Defizite deutlich werden, muß auch etwas gemacht werden.“

Bei der Frage, welche Gegenmaßnahmen geeignet sind, dürften die Ansichten von LehrerInnen, SchülerInnen und Behörde allerdings wieder auseinandergehen.