HAMBURGER SZENE VON ILKA KREUTZTRÄGER : Ausflüge in die Zukunft
Rad fahren ohne Handschuhe ist im November keine Freude, also kurz bei Karstadt in der Osterstraße rein. Dort wird es ja Handschuhe geben. Gibt es auch, aber nur für Menschen jenseits der 70. Beige, lila, wollweiß. Und die Suche nach der Abteilung für die jüngere Klientel wird zu einer kurzen Reise in die Zukunft einer zu alten Gesellschaft. In meine eigene also. Denn hier haben sie sich voll und ganz auf ihre betagte Kundschaft eingestellt.
In den Umkleidekabinen gibt es Notfallknöpfe für den Fall, dass der Kreislauf versagt. Zwischen den Büchern, Mützen und Tellern sitzen ältere Herrschaften, stützen die Arme auf Rollatoren und ruhen ein wenig aus. Auch an den Aus- und Eingängen stehen Stühle für die kleine Pause zwischendurch bereit. Fühle mich sofort alt und müde, aber alle Stühle sind besetzt. Beschließe, dass Handschuhe gar nicht so dringend sind. Lieber einen Ausflug in die Hafencity machen, dorthin wo alles neu ist.
Auf der Suche nach einem Kaffee lande ich schon wieder in einer möglichen Zukunft des Einkaufens. Im Unilever-Haus gibt es einen klinisch-reinen Supermarkt ohne störendes Obst oder Gemüse. Hier gibt es nur Tütensuppen, Dosenessen, Ketchupflaschen, Instantkaffee. Aufgereiht und angestrahlt in weißen Regalen. Sehe mich in 40 Jahren auf einem Stuhl zwischen den Tütensuppen sitzen und ausruhen. Gehe lieber heim.