Auschwitz-Prozess gegen Hubert Zafke: Stillstand in Neubrandenburg
Der Prozess gegen einen früheren SS-Sanitäter platzt nach mehreren Befangenheitsanträgen. Nun muss das Verfahren ganz von vorne beginnen.
Das Gericht und die Staatsanwaltschaft warfen sich gegenseitig vor, an der Verzögerung des Verfahrens schuld zu sein. „Warum sich die Staatsanwaltschaft Schwerin dem möglichen Vorwurf der Öffentlichkeit aussetzt, sie torpediere das von ihr selbst eingeleitete Verfahren, erschließt sich mir nicht“, schrieb der Pressesprecher des Landgerichts, Carl Christian Deutsch.
Dazu erklärte die Staatsanwaltschaft Schwerin, es sei ihre Pflicht, „von den prozessualen Möglichkeiten“ Gebrauch zu machen, „wenn sie den Eindruck habe, „dass das Gericht mit den von ihr und den Nebenklägern gestellten Anträgen nicht objektiv und neutral umgeht“. Vertreter der Nebenklage erklärten, dass „von diesem Gericht keine Gerechtigkeit“ zu erwarten sei.
Zuvor hatten Staatsanwalt und Vertreter der Nebenkläger mehrere Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt. Sie warfen ihnen vor, das Verfahren einzig mit dem Ziel der Einstellung zu führen. Die Beratungen über diese Anträge hätten das Verfahren so weit verzögert, dass eine fristgemäße Fortsetzung unmöglich gewesen sei, heißt es nun in einer Mitteilung des Gerichts.
Beihilfe zum Mord in mindestens 3.581 Fällen
In dem Prozess ist Hubert Zafke wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.581 Fällen, begangen 1944 in Auschwitz, angeklagt. Der heute 96-Jährige soll als SS-Sanitäter dafür gesorgt haben, dass die Mörder aus den Reihen der SS reibungslos ihrem Tun nachgehen konnten, heißt es in der Anklage.
Das Verfahren gegen Zafke schleppt sich seit Monaten dahin. 2015 lehnte das Landgericht die Eröffnung der Hauptverhandlung ab. Erst ein Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock zwang die Neubrandenburger Justiz zu dem Prozess. Bei Beginn der Hauptverhandlung fehlte dann der Angeklagte, weil er, so die Verteidigung, erkrankt sei.
Beim Neustart des Verfahrens im September zweifelte der Richter ein ärztliches Gutachten an, nach dem Zafke eingeschränkt verhandlungsfähig sei. Es sollte „die Verhandlungsunfähigkeit herbeigeredet werden“, beklagten die Vertreter der Nebenkläger Thomas Walther und Cornelius Nestler den jetzigen Stillstand.
Schwere Vorwürfe erhob das Internationale Auschwitz-Komitee gegen das Gericht. Es habe ein „jämmerliches Kapitel“ der deutschen Rechtsgeschichte geschrieben, erklärte Vizepräsident Christoph Heubner. „Von Anbeginn des Prozesses war allen Beobachtern mehr als deutlich, dass der Vorsitzende Richter einem Prozess in Sachen Auschwitz völlig ablehnend gegenüberstand.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart