Ausbildungsreife im Test

Mit einem neuen Fördersystem wollen die Jugend- und die Sozialbehörde benachteiligten Jugendlichen eine Lehre ermöglichen  ■ Von Judith Weber

Benachteiligte Jugendliche, die keine Lehrstelle finden, könnten in Hamburg bald getestet werden wie die Führungskräfte großer Firmen. Laut einem Konzeptentwurf der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) und der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), welcher der taz vorliegt, sollen SchulabgängerInnen ohne Ausbildungsplatz an einem Assessment-Center teilnehmen – einer Art Eignungstest, bei dem Stärken und Schwächen der Jugendlichen herausgefiltert werden. Ergebnis: ein „individueller Berufswegplan“, in dem steht, welches öffentlich finanzierte Bildungsangebot (etwa Berufsvorbereitung, „Qualifizierung und Arbeit für Schulabgänger“ oder ABM) passen könnte. Danach müßten sich die Jugendlichen dann richten.

Rund 5200 Jungen und Mädchen, knapp 34 Prozent aller SchulabgängerInnen, landeten 1997 in städtischen Fördermaßnahmen. Bewerben konnten sie sich beim Arbeitsamt, aber auch beim Sozial- und Jugendamt, oder sie stiegen über einen freien Träger ein. Wenn das neue Fördersystem umgesetzt wird, wäre der Zugang zu den Projekten auf nur eine Stelle beschränkt: das Assessment Center.

Ziel der geplanten Neuerung ist es, den Jugendlichen schnell eine betriebliche Lehre zu ermöglichen. „Die Option Ausbildung muß Priorität genießen“, heißt es in dem Entwurf. An sich ein löblicher Vorsatz, finden Hamburger Vereine und Projekte, die sich um benachteiligte Jugendliche kümmern. Trotzdem stößt das Papier bei ihnen auf Kritik. Denn geht es nach dem Konzeptentwurf, sollen die einzelnen Fördermaßnahmen enger miteinander verknüpft werden. Der Weg der SchulabgängerInnen wäre damit streng vorgegeben: Wer beim Assessment-Center als nicht ausbildungsfähig eingestuft wird, landet in einem Berufsvorbereitungskursus, eventuell mit Praktika in Betrieben. Finden die Jugendlichen hiernach keine Lehrstelle, kommt nur eine öffentlich geförderte Teilzeitbeschäftigung mit Qualifizierung in Frage. Wenn auch danach kein Ausbildungsplatz in Sicht ist, bieten die Behörden einen Job mit begleitender Qualifizierung an – „frühestens fünf Jahre nach Abschluß der Allgemeinbildenden Schule“, wie es in dem Papier heißt.

So seien „Maßnahmekarrieren“ programmiert, bemängelt Petra Lafferentz vom Ausbildungsträger SAUF (Soziale Arbeit und Forschung). „Es gibt Lebenslagen junger Menschen, die nicht in so ein starres Schema zu pressen sind.“ Gerade sozial Benachteiligte, die oft eine Lehre abgebrochen oder gar nicht erst angefangen haben, würden durch vorgegebene Wege abgeschreckt. „Statt niedrigschwellige Zugänge zu schaffen“, setzten die Behörden auf Fremdbestimmung.

Ein Grund für derartige Aufregung besteht nicht, halten BAGS und BSJB dagegen. Der Entwurf sei nicht endgültig, so Uta Köhne, Referentin von Jugendsenatorin Rosemarie Raab (SPD): „Es wird weitere Vorlagen geben.“ Am 15. Januar wird die Bürgermeisterrunde – Ortwin Runde (SPD), Gewerkschaften, Kammern und Senatoren – das weiterentwickelte Konzept namens „Jugend in Arbeit und Ausbildung“ diskutieren. Dabei soll ein Eckpunktepapier verabschiedet werden.