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Ausbildung zur Altenpflege

■ betr.: Bildunterschrift: "Experten üben Kritik am geplanten Altenpflegegesetz

betr.: Bildunterschrift: „Experten üben Kritik am geplanten Altenpflegegesetz“, taz vom 14.9.90,

Diese Anhörung war eine peinliche Blamage, sowohl für die Bundesregierung wie für die SPD. Die von beiden Seiten vorgelegten Gesetzesentwürfe zur Ausbildung in der Altenpflege wurden von der Mehrheit der geladenen Sachverständigen als Festschreibung der „gefährlichen Pflege“ eingeschätzt. Trotz des dringenden bundesweiten Regelungsbedarfs breitete sich Erleichterung darüber aus, daß in dieser Legislaturperiode mit einer Verabschiedung nicht mehr zu rechnen ist.

Am SPD-Entwurf wurde die zweijährige Schulausbildung mit anschließendem Praktikum als völlig verfehlte Schmalspurausbildung mit anschließender Ausbeutung der PraktikantInnen als billige Pflegekräfte kritisiert. Ähnlich wurden auch die im Regierungsentwurf vorgesehenen weitgehenden Möglichkeiten zur Ausbildungsverkürzung beurteilt, die de facto zu einer zweijährigen Ausbildung führen würden. Die von der Regierung vorgeschlagene einjährige Ausbildung zur Altenpflegehelferin wurde ebenfalls als Einfallstor für eine Billigausbildung abgelehnt, die in keiner Weise den hohen fachlichen und personalen Anforderungen in der Altenpflege genügen könne.

Scharf kritisiert wurde auch, daß in beiden Entwürfen die Qualifikation der Lehrkräfte und PraxisanleiterInnen völlig unzureichend geregelt sei.

Insbesondere die Frauenpolitikerinnen der SPD trifft zumindest der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Ihnen dürfte doch bekannt sein, daß Altenpflegearbeit, als Angehörigenbetreuung, im Ehrenamt und professionell, in erster Linie von Frauen geleistet wird. Sie hätten doch wissen müssen, daß eine Reform der bisher länderweit sehr unterschiedlichen Ausbildungswege durch bundesweite Regelung und Vereinheitlichung genutzt werden muß, um der faktischen gesellschaftlichen Geringschätzung von weiblicher Arbeit entgegenzutreten. Stattdessen schreibt auch der SPD-Entwurf die Ausbeutung und Minderbewertung weiblicher Kompetenzen und Qualifikationen in der Altenpflege fort, indem das Erreichen komplexer und fachlich wie persönlich anspruchsvoller Ausbildungsziele in eine Kurzausbildung vom zeitlichen Standard der weitgehend überwundenen Anlernberufe gedrängt wird.

Nötig wäre demgegenüber, die Ausbildung in der Altenpflege so zu gestalten, daß — ähnlich wie in den neuen Ausbildungsordnungen im dualen System der Berufsausbildung — in mindestens drei Jahren eine breite Grundbildung mit anschließender Fachrichtungsspezifik für Einsatzbereiche in der Altenpflege von entsprechend qualifizierten AusbilderInnen und Lehrkräften vermittelt wird. Hieran müssen dann anerkannte Weiterqualifikationen bis hin zum Fachhochschulniveau mit gesicherten Aufstiegsmöglichkeiten angeschlossen werden. Erst hierdurch werden die Ausbildung und die anspruchsvolle Tätigkeit in der Altenpflege eine Bewertung erfahren, die ihnen zukommt und die dem drastischen Personalmangel in diesem Bereich entgegenwirken kann. Imma Hillerich, MdB, Bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag

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