Ausbau einer Erdgasanlage: Australien zerstört Weltkulturerbe

Für den Ausbau einer Erdgasanlage sollen bis zu 30.000 Jahre alte Felsgravuren der Ureinwohner abgetragen werden. Wissenschaftler betonen die Bedeutung der Granitblöcke.

DAMPIER taz Im isolierten Nordwesten Australiens hat jetzt die Entfernung von bis zu 30.000 Jahre alten Felsgravuren begonnen. Die so genannten Petroglyphen auf der Burrup-Halbinsel nahe der Stadt Dampier gehören zu den ältesten bekannten Formen von Menschenhand geschaffener Kunst. Die ersten Australier meißelten Bilder von Tieren und mythischen Gestalten in tausende von Granitblöcke, die den Küstenstreifen im Dampier-Archipel säumen.

Etwa 200 dieser Urkunstwerke müssen jetzt einer Industrieanlage weichen. Australiens konservativer Umweltminister Malcolm Turnbull hat vor ein paar Tagen dem Erdöl- und Gasgiganten Woodside Petroleum grünes Licht zur Entfernung der Gravuren gegeben, damit der seine Anlage zur Lagerung und Verschiffung von Erdgas erweitern kann. Vor der Halbinsel liegt eines der weltgrößten Erdgasfelder.

Australien beliefert daraus China und Japan, was dutzende Milliarden Dollar einbringt. Dampier ist auch Verladehafen für Eisenerz, das der Rohstoffgigant Rio Tinto in westaustralischen Minen fördert. Hunderte Millionen Tonnen Erz werden pro Jahr exportiert - vor allem ins rohstoffhungrige China.

Orangefarbener Metallstaub bedeckt die ganze Region. Vorwürfe von Umweltschützern, durch die Verschmutzung würden auch die Felsgravuren beschädigt, weisen Rio Tinto und die Regierung von Westaustralien mit Hinweis auf wissenschaftliche Studien zurück.

Laut Robert Bednarlik vom Internationalen Verband für Felsenkunst bieten die Bilder einen einzigartigen Einblick in die Geschichte der Besiedlung des Kontinents: "Diese Kunst gibt es sonst nirgendwo." Wissenschaftler rund um den Globus bezeichnen die Gravuren als Weltkulturerbe. Sie seien so bedeutend wie die Pyramiden in Ägypten und die Höhlenzeichnungen im französischen Lascaux.

Der Großteil der auf der Burrup-Halbinsel lebenden Aborigines wurde 1868 bei einem Massaker der Polizei ermordet. Die Nachfahren der wenigen Überlebenden wehren sich gegen die Bulldozer. Der Stammesälteste Wilfred Hicks nennt die Zustimmung aus Canberra einen "schrecklichen Entscheid. Sie brechen unsere Bibel auseinander. Die Bibel der Aborigines ist auf diesen Felsen."

Kritiker der Zerstörung der Felsbilder hatten gefordert, die neue Anlage solle in einem bestehenden Industriegebiet 40 Kilometer südlich gebaut werden. Dort gibt es keine Aboriginal-Kulturstätten. Eine solche Lösung sei wegen der Kosten aber "keine leichte Option für die Investoren", kommentierte die Regierung Westaustraliens. Dieser Bundesstaat profitiert stark von der großen Rohstoffnachfrage.

Für "Joe" aus Dampier, der für Rio Tinto arbeitet und sich wie viele in der Bergbauindustrie Beschäftigte aus Angst um den Arbeitsplatz nicht namentlich äußern will, ist eine solche Argumentation "obszön". Angesicht der großen Gewinne, die Woodside dank des Rohstoffbooms mache, "könnten die das aus der Kaffeekasse bezahlen". So werden wohl auch die Felsen, die jetzt "verlegt" werden, auf einer Halde landen. Dort liegen schon jene, die beim Bau der ersten Anlage in den 60er-Jahren entfernt wurden. Sie liegen hinter einem maroden Zaun in der Nähe der Gasanlage, ungeschützt vor Dieben und Vandalen, einem Feld zerbrechender Grabsteine ähnlich.

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