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Aus für KopfpauschaleDas Ende der versemmelten Reform

Weitere Schlappe für Gesundheitsminister Rösler: Auch seine am Donnerstag vorgestellte 30-Euro-Kopfpauschale findet keine Zustimmung - nicht mal die eigene Koalition will sie.

Nach dem Aus für seine Kopfpauschale dürfte er ins Grübeln kommen: Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP, 2. v. li). Bild: apn

BERLIN taz/dpa | Es war Mittwochmittag, als Bayerns CSU-Gesundheitsminister Markus Söder mal wieder ein Konzept seines Amtskollegen im Bund für untauglich erklärte, noch bevor dieser es vorgestellt hatte. "Wir haben eine einheitliche klare Meinung dazu: Die Vorschläge von Herrn Rösler werden wir nicht mittragen", sagte Söder in München.

Der neueste Streit markiert einen weiteren Höhepunkt im Kampf Philipp Röslers (FDP) für die Kopfpauschale und gegen ihre vielen Kritiker, die mittlerweile überall sitzen. In der CSU, in der Opposition ohnehin, in der Bevölkerung, in der Fachwelt.

Kurz vor Söders Kritik waren Details des Konzepts bekannt geworden: 30 Euro soll der durchschnittliche Betrag sein, den alle BürgerInnen nach den Plänen ab 2011 zu zahlen hätten - die Rentnerin wie der Großunternehmer. Dafür wird Parität bei den Sozialbeiträgen wiederhergestellt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen dann 7,3 Prozent des Bruttolohns. Für die Arbeitnehmer ist dies eine leichte Entlastung um 0,6 Prozentpunkte, die Arbeitgeber zahlen 0,3 Prozentpunkte mehr.

Einkommensschwache BürgerInnen sollen einen Sozialausgleich erhalten - in Form eines niedrigeren Beitragssatzes. Geringverdiener unter 1.000 Euro würden nur noch 5 Prozent des Einkommens zahlen, der Satz soll gestaffelt ansteigen.

Mit den Plänen will der Gesundheitsminister das Defizit von rund 10 Milliarden Euro decken, das im nächsten Jahr auf die Gesundheitskassen zukommt - und den Sozialausgleich finanzieren. Trotzdem werden wohl besonders Geringverdiener draufzahlen, bei denen die 30 Euro Kopfpauschale besonders durchschlagen.

Eine weitere Schwierigkeit bei dem Konzept: Die Krankenkassen haben keine Möglichkeit, die Angaben der Versicherten zu ihren Einkommensverhältnissen zu überprüfen. Hierfür müsste der Bundesrat dem Gesetz zustimmen - die Opposition will aber blockieren.

Verheerend fiel die Kritik an dem Konzept aus - über alle Parteigrenzen. "Nach jedem Flop kommt Rösler mit einem neuen, noch ungerechteren Plan", lästerte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Der Linken-Vorsitzende Klaus Ernst nannte Röslers Kopfpauschale "nicht weniger als den Einstieg in den Ausstieg aus der solidarischen Gesundheitsfinanzierung". Selbst einer der Erfinder des Konzepts, der Ökonom Bert Rürup, sprach von "Verrat an der Pauschalbeitragsidee.

Auch die deutsche Wirtschaft steht Röslers Plänen ablehnend gegenüber. Höhere Lohnzusatzkosten könnten die Betriebe nicht gebrauchen in einer Phase, in der nach der Krise die Rahmenbedingungen für den Aufschwung richtig gestellt werden müssten, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, der Berliner Zeitung. Der Solidarausgleich für Menschen, die sich die Prämie nicht leisten könnten, müsse über Steuergelder finanziert werden.

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4 Kommentare

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  • VR
    Volker Rockel

    Fast 9 Monate hat diese Regierungskoalition nun die Zeit damit verplempert einem Konzept der "Kopfpauschale" hinterherzulaufen, dass von vornherein unsinnig war und offensichtlich einem politischen Wunschdenken entsprungen ist, dessen rationale Wurzeln zunehmend fragwürdig sind!

     

     

    Man mußte nicht Politiker sein um zu erkennen, dass mit der Kopfpauschale weder das eigentliche Problem Finanzierungsproblem des deutschen Gesundheitswesens zukunftsfähig gelöst wird, noch ein Mehr an "Gerechtigkeit" entstehen könnte!

     

    Letztendlich wurde mit der Diskussion um die Kopfpauschale nur wieder jede sinnvolle und notwendige Diskussion über die eigentlichen Ursachen des Dilemmas im deutschen Gesundheitssystem verhindert und das eigentliche Problem verdeckt!

     

     

    Der gesunde Menschenverstand eins Bürgers sagt einem, dass hier etwas total schief läuft und offensichtlich die sogenannten Gesundheitspolitiker in der Regierung mit der Aufgabe überfordert zu sein scheinen!?

     

     

    Gefordert ist ein Ansatz der die eigentlichen Ursachen des Dilemmas im deutschen Gesundheitssystem endlich konzeptionell in den Griff bekommt!

     

    Und dieser Ansatz hat sich zu allererst mir der Frage zu beschäftigen wie man die permanent steigenden Ausgaben im Verhältnis zu den Einnahmen in den Griff bekommen kann!- Mithin ist die Höhe der Beitragssätze dem Prinzip von "Ursache und Wirkung" geschuldet. D.h. man müßte eigentlich Prioritäten im politischen Vorgehen setzen, und sich den eigentlichen Kostentreibern konsequent zuwenden!- Nur scheinbar steht die offensichtliche Logik des Handelns im Gegensatz zu den Absichten der Politik?

     

     

    Man tut sich daher schwer, mit dem gesunden Menschenverstand eines Bürgers, die fortgesetzte Diskussion um die "Kopfpauschale" überhaupt noch zu begreifen!

     

    Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Aufmerksamkeit der politisch verantwortlichen Gesundheitspolitiker vornehmlich den Leistungserbringern und der Sicherstellung von deren Umsätzen und Gewinnen aus den Beiträgen der Beitragszahler gilt, als den Interessen der beitragszahlenden Bürger!?

     

    Man könnte als Bürger fast den Eindruck gewinnen, der Beitragszahler wird in der Gedankenwelt von Politikern, auf ein Dasein als "cash cow" im Gesundheitssystem reduziert!

     

     

    Jeder politisch Handelnde (der im Übrigen ja den Interessen der Bürger - also des Souveräns in diesem Lande - gegenüber verpflichtet ist), der sich dem Thema rational nähert, müßte sich doch eigentlich zu allererst die Frage stellen: Wieso ist es eigentlich möglich, dass nunmehr wiederum die Ausgaben der Kassen derart überproportional zu den Einnahmen aus den Beiträgen gestiegen sind?

     

    Und wer auch ansatzweise in der Lage ist mit dem Thema umzugehen, der würde folgerichtig nun die Kostentreiber identifizieren und die Ursachen analysieren die diesen Effekt ausgelöst haben; und im weiteren Vorgehen diese Ursachen im Sinne der Beitragszahler konsequent beseitigen!

     

     

    Aber scheinbar ist die Politik inzwischen derart von den Interessenslagen der Leistungserbringer durchdrungen, dass es Politikern offensichtlich garnicht mehr in den Sinn kommt, dass Problem aus der Interessenslage der Beitragszahler heraus zu diskutieren und anzugehen!?

     

    Die "Beitragserhöhung" scheint in der irrlichternd anmutenden Gedankenwelt der verantwortlichen Gesundheitspolitiker als Instrument der Problembeseitigung "Gott gegeben" zu sein und man beschränkt sich auf die abstruse anmutende Diskussion der Mechanismen der Beitragsanpassung!- Und nichts weiter stellt die "Kopfpauschale" dar;- egal wie man es seitens der Politik beabsichtigt hat "zu verkaufen"!

     

     

    Letztendlich kann man - eingedenk der aktuell geführten Diskussion und im Hinblick von x gescheiterten Reformen zum Gesundheitssystem - für sich als Bürger nur noch einen Schluss ziehen: Entweder mangelt es an der Befähigung der verantwortlichen Politiker das Gesundheitssystem im Sinne der Bürger umfänglich zu reformieren oder das Gesundheitssystem hat sich inzwischen der Kontrolle der und Steuerung der Politik gänzlich entzogen und ist nur noch ein staatlich gestütztes Umverteilungssystem, in dem das Einkommen der Beitragszahler zum Einkommen und Gewinn der Leistungserbringer wird?

     

    Und so wie sich das Gesundheitssystem gegenüber den Beitragszahlern inzwischen aufzeigt und wie die Diskussion seitens der Politik geführt wird, erscheint diese Schlussfolgerung nicht unberechtigt zu sein!

     

     

    Bleibt die Frage, wie es dazu kommen konnte? Und je intensiver ich darüber nachdenke, bleibt mir nichts anders übrig als festzustellen:

     

    Offensichtlich gibt es zunehmend Themenfelder in der Politik, die sich einer objektiven, an der eigentlichen Problemstellung orientierten, rationalen Diskussion entziehen!?

     

    Und bei dem Themenfeld Gesundheit scheinen wir in diesem Land derzeit einen Punkt erreicht zu haben, wo sich ein Teil der Parteien den eigentlichen Ursachen schon deshalb nicht mehr objektiv nähern kann, weil sie dann gefordert wären auch ihr eigenes Versagen in den Bemühungen um eine zukunftsfähige Gestaltung des Gesundheitssystems offen zulegen. Und ohne Zweifel war ein Teil der Reformen im Gesundheitssystem bislang nur darauf angelegt, um die Mängel der vorhergehenden Reform(en) auszugleichen!

     

    Übrig bleibt scheinbar daher immer eine Diskussion die am eigentlichen Problem vorgeht, die Ursachenbeseitigung negiert und letztendlich die Höhe der Beiträge oder deren Verteilung, sprich die Belastung des Beitragszahlers, zum Kern der politischen Lösung erhoben wird.

     

     

    Wobei für mich die unfreiwillige Opferrolle des Beitragszahlers der Tatsache geschuldet zu sein scheint, dass er der einzige ist, dem man in die Tasche greifen kann ohne das er die Fähigkeit hat sich effektiv zu wehren!

     

    Warum? Er ist als Beitragszahler völlig unorganisiert und hat es darüberhinaus schlichtweg verlernt im "Kollektiv der Betroffenheit" sich zu wehren!- Anders ausgedrückt, er zahlt zwar aber mitbestimmen darf er nicht!

     

     

    Ich denke, es ist langsam an der Zeit, dass wir Bürger den Politikern helfen zu verstehen, dass Politik kein Selbstzweck ist, sondern den Anforderungen der Bürger zu genügen hat!

  • P
    Peter

    Es hat schon einen Grund warum ich CSU wähle.

    Taz lesen geht trotzdem, hier werden Themen angeschnitten die man in vielen anderen Zeitungen nicht findet.

  • J
    JaJa

    Schon schade, dass es nun endgültig die CSU ist, die was die Regierung in unserem Land betrifft, soetwas wie die "soziale" Seele ist.

  • KK
    Klaus Keller

    Mehr Geld ins System oder Konzentration auf das eigentliche?

     

    frage ich mich im Bezug auf die Krankenversicherung.

    Wie wäre es der Gesudheitsminister kommt auf diese Idee und sagt:

    Aufgabe der Krankenversicherung ist es Behandlungskosten zu finanzieren.

    Lohnersatzleistungen sind in erster Linie Aufgabe dritter.

    Im längerfristigen Krankheitsfall zahlen Arbeitgeber und Krankenkassen 78 Wochen.

    Der Kassenanteil liegt bei 72 Wochen, die ersten 6 übernimmt der Arbeitgeber.

    Danach bekommt der Betroffene 1Jahr ALG1 und im Anschluß ALG 2 oder Grundsicherung falls er länger als 6Monate dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht.

    Die Änderung dieser Praxis könnte ein Schritt sein die Krankenkassen zu entlasten.

    Der Minister müßte nur aushalten das die Tatsache das jemand eher bei der Grundsicherung landet ihn nicht beliebter macht.

    U.a. deshalb da der Selbsbehalt beim ALG 2 bei ca 150€ je Lebensjahr und bei Grundsicherung bei 1600€ insgesamt liegt.

    Man muß die Lohnfohrtzahlung ja nicht gleich auf 3 Monate kürzen.

    Man sollte aber schon jetzt über die Ungleichbehandlung von ALG 2 nach SGBII und der Grundsicherung nach SGB XII nachdenken und hier eine Angleichung vornehmen.

    Das Betrifft aber nicht mehr allein den Gesundheitsminister.

     

    klaus keller hanau

     

    PS kann man sich bei dem einzugebenden Wort auf Groß ODER Kleinbuchstaben, gerne auch zahlen beschränken