Aus der Zeit der Franzosen: Die Antwort kennt der Krimi-Schreiber
Das Archäologische Museum Hamburg zeigt "Napoleons Silberschatz". Weil nicht klar ist, wer ihn einst im heutigen Stadtteil Wilhelmsburg vergrub, wurden Autoren gebeten, sich mögliche Geschichten auszudenken.
HAMBURG taz | "Dieser Napoleon ist doch bloß ein „Saftsack“: Es ist durchaus ein politisches Statement, wenn jemand den Flüssigkeitsfänger seiner Pfeife 1815 als Porträtkopf gestaltet und so den gerade besiegten Kaiser der Franzosen „in der Pfeife rauchen“ konnte. Und weil es gerade 200 Jahre her ist, dass russische Truppen Hamburg von der französischen Besetzung befreiten, befasst sich eine Ausstellung derzeit mit den Kämpfen an der Elbe, der zweimaligen Eroberung Hamburgs – 1806 und 1813 – sowie mit der achtjährigen Zeit des „Departements der Elbe-Mündung“, das von Cuxhaven bis Lübeck und zur Nordheide reichte.
Da werden neben dann der erwähnten antifranzösischen Pfeife Uniformen von damals oder die leere Kriegskasse von Marschall Louis Nicolas Davout gezeigt, des Kommandanten der Festung Hamburg. Es wird an die zivilisatorischen Leistungen der Franzosen erinnert wie den später noch lange verbindlichen Code Civil. Und alte Bilder zeigen organisatorische Neuerungen wie den 7,5 Kilometer langen Brückensteg über die Elbmarschen, der Hamburg mit Harburg verband. Auch Hinweise auf die vielen französischen Lehnwörter wie Adresse oder Reportage werden nicht vergessen.
Vor allem aber gilt die Ausstellung dem größten in Norddeutschland jemals gefundenen Silberschatz, der in den damaligen Kriegswirren vergraben worden sein muss. Da die Münzen, entstanden zwischen 1806 und 1814, aber relativ klein sind und die ergänzenden Originalobjekte aus der „Franzosenzeit“ eher sparsam, werden vor allem Numismatiker von der 20-jährigen Mühe der Reinigung, Erfassung und Wiederherstellung dieses riesigen, 24 Kilo schweren Münzmaterials begeistert sein.
Für alle anderen ist in der kleinen Ausstellung Phantasie gefordert. Denn trotz aller Forschung ist immer noch rätselhaft, warum jemand ein derartiges Vermögen auf einer Wiese in Hamburg-Wilhelmsburg vergrub. Immerhin haben die 8.795 Geldstücke einen Wert von rund 618 Thalern. Davon könnte man heute ein Einfamilienhaus kaufen.
Für ein archäologisch-historisches Museum recht ungewöhnlich, klärt die Harburger Schau die Spekulationen aber nicht etwa auf, sondern heizt sie an. So hat man drei Krimi-Autoren beauftragt, sich in einer Kurzgeschichte ein mögliches Szenario auszudenken. Da ist der ursprüngliche Besitzer mal ein adeliger Deserteur oder ein englischer Kaufmann. In einer der Geschichten wird der Schatz sogar zweimal verborgen: Ein armes, verliebtes Bauernmädchen hatte einen reichen Nachbarn beim Vergraben beobachtet und dann ihrerseits … und so weiter.
Meist hindert der Tod den Eigentümer am Rückgewinn des Silbers. Immer aber spielt, wie soll es anders sein, auch eine Liebesgeschichte eine Rolle. Diese ganz unterschiedlichen Vermutungen über den Fund machen nicht nur den schönen Katalog zu einem für fachwissenschaftliche Publikationen ungewöhnlich lesbaren Exemplar: Sie werden in der Ausstellung auch als verkürzte Bildgeschichte präsentiert.
Seltsam ist auch noch eine spätere Geschichte: Es gab in Wilhelmsburg seit Generationen Gerüchte, es müsse einen größeren Schatz auf der Insel geben. Woher auch immer diese Idee rührte, sie ist sogar aktenkundig: 1885 wollte der Tischlermeister Heinrich Schweers vom Wilhelmsburger Kriegerverein eine Schatzsuche organisieren. Er beantragte dafür 200 Gold-Mark aus der Gemeindekasse. Doch der Gemeindeausschuss lehnte das Ansinnen als zu spekulativ ab. Wer allzu eifrig auf Phantasie verzichtet, dem fallen eben auch keine Schätze zu.
Und so wurde erst 1993 der Schatz zufällig bei einer Routine-Bodenuntersuchung anlässlich eines Neubaus vom Kampfmittelräumdienst entdeckt. Was den Bombenresten des zweiten Weltkriegs galt, führte zurück zu früheren, heute nostalgisch verklärten Katastrophen.
„Napoleons Silberschatz“: bis 14. September, Archäologisches Museum Hamburg – Helms-Museum
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