Aus dem tiefen Tal: „Kundengespräche finden wieder statt“
Bremer Dotcoms atmen auf
Nach Pleiten, Pech und Pannen: in der Bremer Dotcom-Branche scheint es wieder bergauf zu gehen. „Unsere Mitglieder sagen: Die Kundengespräche laufen wieder besser. Und: Sie finden wieder statt“, sagt Oliver Wächter, Vorsitzender von Bremen Multimedial, einem Zusammenschluss von 175 Firmen aus der Bremer IT- und Multimediabranche. Wieviel Jobs alle Byte-Firmen in Bremen bieten, läßt sich derzeit schwer schätzen: Es gab Entlassungen. Zu Boomzeiten Anfang des vergangenen Jahres ging die Branche jedenfalls noch davon aus, dass die Zahl der damals noch 6.500 Jobs bei den insgesamt rund 600 Unternehmen bis Ende 2001 um 1.000 gewachsen sein würde.
Dann der Einbruch. „Nach dem Jahresende 2001 konnte es kaum schlimmer werden“, sagt Wächter. Bis vor wenigen Monaten ist auch Bremen nicht von der weltweiten Pleitewelle verschont geblieben. Prominentes Beispiel: Engram, auf lokaler Ebene hinter Hanke Multimedia Platzhirsch, rauschte in die Insolvenz. „Inzwischen“, so Wächter, „soll aber eine Auffanggesellschaft gegründet worden sein“.
Aber: Wer nicht so hoch fliegt, kann auch nicht so tief fallen wie die Pixelparks und Kabel New Medias dieser Branche. Auf Bremen übersetzt heißt das: „Wir hatten in der Hochzeit nicht so klangvolle Namen, haben für weniger gehypte Kunden gearbeitet – aber dafür haben wir auch nicht so viel verloren“, sagt Wächter. Aber: „Normal ist noch nichts“. Wächter: „Wir stehen immer noch in einem tiefen Tal.“ Vor allem junge Firmen hätten es heute schwerer, auf die Füsse zu kommen. Wächter: „Im Vergleich zu 1999 gibt es heute vielleicht noch ein Fünftel der Stellenausschreibungen“. Gleichzeitig würden die Löhne wieder „realistischer“ werden: „Es gibt nicht mehr so viele die 100.000 Mark-Gehälter.“
Trotz des leichten Aufwinds gibt es weiter Branchen-Rumoren, dass sich die Politik nicht ausreichend um die Dotcoms gekümmert habe. Knackpunkt: Das Förderprogramm Time. Ein recht dicker Batzen, bis 2005 will Bremen 100 Millionen Mark in seine New Economy stecken. Nur Uni-Institute und andere stadtnahe Unternehmen würden von dem Geldsegen profitieren, ärgert sich Bremen Multimedia, „Time ist eine Insider-Geschichte“, wettert Anja Stahmann von den Grünen. Bremen würde Medienpolitik „wie im 15. Jahrhundert betreiben“, die kleinen und mittelständischen Unternehmen würden vom dem Geldsegen nicht profitieren.
Die Gründe: Es gebe kaum Marketing, die Struktur der Förderung sei nicht transparent. Was letztlich gefördert werde, sei zudem nicht zukunftsweisend: Pferdewetten per UMTS, Videoüberwachung bei der BSAG – „damit gewinnt Bremen nicht unbedingt Standortvorteile“, meint die Grüne. Gerade die Konzentration auf die neue Handy-Generation sei problematisch. Stahmann: „UMTS funktioniert nicht – nicht in Japan, nicht an den Börsen.“ ksc
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