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■ Aus dem Tagebuch von Wam KatDie Helden für die Heimatfront

Wam Kat, Friedensaktivist schon im Bosnienkrieg, sucht unter der Parole „Balkan Sunflowers“ im Internet nach Freiwilligen, die den Flüchtlingen aus dem Kosovo helfen wollen. Seit Anfang Mai berichtet er täglich per E-Mail über seine Erfahrungen in Albanien.

Tirana, 14. Mai: Ein paar sehr ernste Worte heute. Ich habe jetzt mit einer Menge lokaler NGOs gesprochen, vor allem mit Frauengruppen. Die meisten haben schon in kleinem Rahmen angefangen, Flüchtlinge zu betreuen, aber in jedem Gespräch wurde mir klar, daß sie absolut keine Ahnung haben, was das bedeutet. Man kann den Flüchtlingen Essen und Spielzeug geben und mit ihnen darüber reden, wie es war und wie es ist. Aber solche Erzählungen bleiben an der Oberfläche, und diese Gruppen wollen tiefer gehen, wollen die seelischen Traumata behandeln, nicht zuletzt die der vergewaltigten Frauen. Das ist eine schwierige Arbeit, die nur von Fachleuten geleistet werden kann. Ohne die nötige Unterstützung und Anleitung können das freiwillige Helfer nicht durchstehen, diese Erfahrung haben wir in Kroatien gemacht und mußten teuer dafür bezahlen.

Ein anderes, wirklich ernstes Problem ist, daß jede Organisation, ob lokal oder international, ihr eigenes Lager betreiben will, auch Gruppen, die dazu absolut nicht in der Lage sind, die zum Beispiel sonst ein Jugendzentrum oder Seniorentreffen organisieren. Das Ergebnis sind zahllose kleine Lager im ganzen Land mit schlechter oder gar keiner Verwaltung. Manchmal sitzen die Leute einfach nur da und bekommen ein bißchen Brot und Marmelade. Ein für allemal muß ich klarstellen, daß hier neben einigen guten und professionellen Organisationen auch Gruppen arbeiten, die nicht die geringste Ahnung haben, was sie tun. Sie betreiben hier ein Lager, schaffen dort Lebensmittel heran, machen hier ein bißchen Animation und bringen vor allem ihre Journalisten mit, die filmen und beschreiben, was sie Gutes tun, damit sie zu Hause noch mehr Spenden bekommen und als wahre Helden dastehen. Das klingt kritisch, und es ist kritisch gemeint. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele NGOs auf einem Haufen gesehen wie hier in diesem kleinen Albanien.

Tirana, 23 Mai: Seltsam, wie wenig der lokale Fernsehsender von Tirana über den Krieg und die Flüchtlinge berichtet. Auch beim Staatsfernsehen oder Privatsendern scheinen Folklore und Landwirtschaft die größten Hits zu sein. Entweder sieht man alte Männer singen, begleitet von einem türkisch aussehenden Instrument mit zwei Saiten, oder über den Weinbau diskutieren. Der Rest des Programms besteht aus italienisch synchronisierten amerikanischen Filmen. Gut, jeden Abend gibt es auch eine Spezialshow über das Kosovo mit neuen Nachrichten oder Berichte über albanische Panzerdivisionen, die in den Norden verlegt werden. Man sollte das nicht allzu ernst nehmen. So viele Panzer besitzt Albanien gar nicht, und mit wenigen Ausnahmen sind sie alt und in sehr schlechtem Zustand. Die meisten Nachrichten erhalten wir über das italienische Fernsehen, das oft schneller ist als das Radio von Tirana.

Gestern habe ich mitbekommen, daß ein große Gruppe von Männern aus einer Art Gefangenenlager im Kosovo freigelassen worden und im Laufe des Tages in Kukes angekommen ist. Sie sollen in dem Lager täglich verprügelt worden sein. Ein Teil von ihnen wird wahrscheinlich schon bald als Kämpfer der UÇK in das Kosovo zurückkehren, die anderen brauchen noch einige Zeit, um sich von ihrem Trauma zu erholen. „Krank im Kopf sind die alle“, sagt George. Auch heute ist die Stadt wieder voll von diesen Kriegern, die über das Wochenende herunterkommen, um einen Tag Urlaub vom Krieg zu nehmen. Ich kenne das noch aus Zagreb, und es wirkt immer noch seltsam auf mich. Ich habe keine Ahnung, wie viele dieser entschlossen aussehenden Soldaten tatsächlich in Kämpfe verwickelt waren. Ich glaube, die meisten sind noch in der Ausbildung, aber das kann man nicht wissen, solange man nicht mit ihnen gesprochen hat – meistens reicht es schon aus, ihnen in die Augen zu schauen.

Die Jungs von der UÇK sind in ihren Fantasieuniformen viel besser angezogen als die Soldaten der regulären albanischen Armee. Der Unterschied ist so auffällig, daß die Mädchen ein bißchen mehr zu diesen Mini-Rambos aufschauen als zu ihren eigenen, braven Soldaten. Ich hoffe nur, daß die Spannung, die ohnehin in der Luft liegt, nicht noch mehr wächst. Wam Kat

wam@mir.org

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