: Aus dem Leben eines erklärten Araberhassers
Israels wohl umstrittenster Politiker Ariel Scharon, vormals Kriegsminister, übernimmt in der neuen Rechtsregierung den Wohnungsbau ■ P O R T R A I T
Von Walter Saller
Ariel Scharon, der 1928 als Sohn eines polnischen Vaters und einer russischen Mutter in Kfar Melal bei Tel Aviv geboren wurde, gilt heute als der umstrittenste israelische Politiker. Er ist „Taktgeber“ der politischen Scharfmacher im rechtskonservativen Likud-Block von Ministerpräsident Schamir und kompromißloser Verfechter eines „Groß-Israel“ ohne Araber.
Scharon, der bereits als 14jähriger der zionistischen Selbstschutzorganisation Haganah beitrat, stieg nach 1948 in der israelischen Armee und im Geheimdienst rasch auf und kämpfte an vorderster Front in allen Kriegen gegen die Araber. Zeitweise war er Kommandeur der „Einheit 101“, die Vergeltungsmaßnahmen gegen arabische Guerillas durchführte. Dabei überschritt er häufig seine Kompetenzen und führte eine Art von persönlichem Rachefeldzug gegen die arabische Bevölkerung. Bei einem sogenannten Anti-Terror-Auftrag im jordanischen Quibya kam es durch Scharons Verhalten zum Tode von 69 unbeteiligten Zivilisten. Seine Aufstiegschancen minderte das indes nicht. Schon 1962 bekleidete er den Rang eines Generals. Im Jom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973 gelang Truppeneinheiten unter seiner Führung die kriegsentscheidende Einkesselung der dritten ägyptischen Armee.
Scharon, der zuerst der Arbeiterpartei angehörte, war 1973 einer der Hauptinitiatoren des Likud-Blocks, der zum Sammelbecken mehrerer Rechtsgruppierungen wurde. 1979 wandte er sich mit aller Entschiedenheit gegen das israelisch -ägyptische Friedensabkommen von Camp David. Auch als erbitterter Verfechter von jüdischen Siedlungen in den israelisch besetzten Gebieten und deren schließlicher Annexion hat er sich einen Namen gemacht. Die palästinensische Bevölkerung gedachte er dabei in den „Palästinenserstaat“ Jordanien abzuschieben.
Im Juli 1981 wurde Scharon israelischer Verteidigungsminister. Ein knappes Jahr später machte er sich in der Regierung von Menachem Begin für das israelische Libanon-Abenteuer stark. Die im Libanon stationierten PLO -Verbände mußten zwar nach verlustreichen Kämpfen aus Beirut abziehen, doch das brutale Vorgehen der israelischen Invasoren kostete den jüdischen Staat viele Sympathien. Im Zuge der israelischen PLO-Vertreibung richteten christlich -libanesische Falangisten in den waffen- und schutzlosen Beiruter Palästinenserlagern Sabra und Shatila im September 1982 unter den Augen der Israelis ein Blutbad an. Eine unabhängige israelische Kommission zur Untersuchung des Massakers stellte nachträglich die „persönliche Verantwortung“ von Scharon fest. Daraufhin mußte der Kriegsminister den Hut nehmen, bleib aber weiterhin als Minister ohne Geschäftsbereich in Amt und Würden.
In der „Regierung der nationalen Einheit“ von Arbeiterpartei und Likud war Scharon seit 1984 Minister für Handel und Industrie. Erst Anfang dieses Jahres war der schwergewichtige Hardliner aus Protest gegen die kompromißbereite Haltung von Schamir zum US-Friedensplan für den Nahen Osten von seinem Amt als Handels- und Industrieminister zurückgetreten.
Die nunmehrige Ernennung des erklärten Araberhassers Scharon zum neuen Wohnungsbauminister und Vorsitzenden des Kabinettsausschusses für die Ansiedlung von jüdischen Neueinwanderern aus der Sowjetunion, wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Grundhaltung des neuen israelischen Kabinetts. Viele politische Beobachter halten Scharon gar für den Mann im Hintergrund, der die entscheidenden Fäden im neuen Schamir-Kabinett zieht.
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