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Aus dem Koma erwacht

Dank privater Investoren steigt das italienische Traditionsblatt „Unità“ nun schlank und schuldenfrei aus der Asche: Statt nostalgischer Senioren sollen jetzt junge Linke als Leser gewonnen werden

aus Rom MICHAEL BRAUN

Traditionsbewusste Leser wird das Datum freuen, das die neuen Verleger für die Wiedererweckung der Unità angepeilt haben: Am 7. November soll das früher kommunistische Traditionsblatt der italienischen Linken wieder an den Kiosken sein. Doch die Wahl fiel wohl eher zufällig auf den Jahrestag der russischen Oktoberrevolution; an die kommunistische Vergangenheit wird außer dem Untertitel „Gegründet von Antonio Gramsci“ nichts mehr erinnern.

Denn mit dem Neustart steigen die Linksdemokraten der DS – der Nachfolgepartei der KPI – endgültig aus ihrem früheren Parteiblatt aus. Wenig Freude hatte die DS in den letzten Jahren an ihrem Hausblatt: Die Käuferzahl sank Jahr für Jahr auf zuletzt 50.000, parallel wurden Millionenschulden angehäuft. Als sich dann in diesem Sommer die in den letzten Jahren gewonnenen privaten Minderheitskompagnons aus dem Verlag zurückzogen, trat die Partei auf die Notbremse: Die Unità ging in Liquidation und stellte am 27. Juli das Erscheinen ein. 120 Redakteure und 80 Drucker standen auf der Straße. Zwar leistete die Redaktion noch einige Wochen hinhaltenden Widerstand, stellte eine achtseitige virtuelle Ausgabe ins Internet, tingelte mit Protestausgaben über die legendären Unità-Festivals der DS (die trotz der Agonie der Zeitung ihren Namen beibehielten). Doch als die Liquidationsverwalter kurzerhand Strom und Telefon abdrehten, schien das endgültige Aus der Unità gekommen. Niemand mehr unter den Entlassenen glaubte an die Versprechen der Parteiführung, weiter nach einer Lösung zu suchen, die das Überleben der Zeitung sichert.

Drastischer Stellenabbau

Doch ebendiese Lösung zeichnet sich jetzt ab. Alessandro Dalai, Chef des kleinen, feinen Buchverlags Baldini & Castoldi, scharte neun weitere Investoren um sich, gründete ein Verlagshaus mit dem hoffnungsfrohen Namen „Nuova iniziativa editrice“ (Verlag Neue Initiative) und wurde sowohl mit den Liquidatoren als auch mit der auf der Straße stehenden Belegschaft handelseinig. Der alte Verlag wird für die Abtretung des Titels und der verbleibenden Sachwerte der Unità 30 Millionen Mark erhalten. 44 Redakteure und 35 Drucker werden von dem neuen Verlag übernommen; 15 weitere Redakteure sollen regelmäßig als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Trotz des drastischen Arbeitsplatzabbaus stimmten die Unità-Beschäftigten mit großer Mehrheit dem Rettungsplan zu und räumten so das letzte Hindernis aus dem Weg – wohl auch, weil ohne ihr Plazet alle auf der Straße gestanden hätten, ja selbst die Auszahlung der noch ausstehenden Gehälter und Abfindungen gefährdet war.

Schlank und schuldenfrei geht die neue Unità deshalb an den Start. „Kein Parteiorgan mehr“ soll sie sein, so Dalai, sondern das „Blatt einer wesentlich breiteren Linken“, in dem sich „sowohl Liberale als auch Radikale im besten Sinn des Wortes“ wiederfinden können. Als neuer Chefredakteur wurde Furio Colombo angeheuert. Colombo sitzt zwar für die DS im Parlament, ist aber trotzdem alles andere als ein Parteimann: Der Grandseigneur vertrat über Jahre den Fiat-Konzern in den USA, leitete dann das Italienische Kulturinstitut in New York und ist zurzeit einer der prominentesten Kolumnisten der Republik. Als Stellvertreter soll ihm Antonio Padellaro zur Seite treten; der Berufsjournalist war bis dato Vizechef beim linksliberalen Wochenmagazin Espresso.

Zusammen mit der doch recht kleinen Redaktion sollen sie eine Ausgabe von täglich 28 Seiten stemmen, zu der wöchentlich vier achtseitige Sonderbeilagen kommen. Deren Themenpalette reicht von New Economy, Arbeit, Bildung und Wissen bis zu Gesundheit und „Kulturen im pluralen Sinne“ (Dalai). Schließlich geht es darum, die Unità endlich von dem Ruf zu befreien, sie werde nur noch von nostalgischen Senioren weit jenseits der 60 gelesen, die den alten KPI-Zeiten nachtrauern. Die sollen natürlich bei der Stange bleiben – die zuletzt erreichte Auflage von 50.000 gilt als Minimum für den Neustart. Zugleich aber sollen endlich neue Kunden geworben werden. So sieht das auch Pietro Folena, Nummer zwei der DS.

Kulturen im Plural

Der Unità müsse es darum gehen, „ein junges Publikum auf der Grundlage der alten und doch hochmodernen Werte der Linken zu gewinnen“. Einen Appetizer für die Redaktion, beim ehrgeizigen Projekt ganz im Geist modernen Unternehmertums ebenso wie überkommener Solidarität mitzuwirken, haben sich die neuen Eigner der Unità auch gleich einfallen lassen. Für jede weitere Auflagensteigerung um 2.000 Exemplare soll einer der jetzt vor der Tür gebliebenen Redakteure wieder eingestellt werden.

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