: Aus SV Diego wird Werder
Werder Bremen hat ein Stürmerproblem: Zwar ist man nach dem 3 : 2 gegen Hertha recht zufrieden. Die Offensivkräfte aber kommen an Leistungen ihrer Vorgänger Klose und Ailton nicht heran
VON SVEN BREMER
Gestern, am späten Sonntag Nachmittag, wollten die Fans von Werder Bremen den „Spieler des Jahres“ 2007 küren. Wer auch nur einen Cent auf einen anderen Profi als Diego gesetzt haben sollte, hätte ebenso gut auf Energie Cottbus als deutschen Meister wetten können: Es wird eng im Trophäenschrank des Brasilianers, wahrscheinlich muss bald ein neues Möbelstück her.
Schon vor dem 3 : 2-Erfolg am Samstag über Hertha BSC, hatte er bereits die eine oder andere Auszeichnung erhalten: X-mal „Spieler des Monats“, die Kollegen aus der Spielergewerkschaft VdV wählten ihn zum „Spieler der Saison“. „Player of the Match“ wird der Spielmacher sowieso in schöner Regelmäßigkeit.
Gegen Berlin war Diego einmal mehr der überragende Mann. Und doch spielte nicht mehr – wie zu Saisonbeginn – der „SV Diego“, sondern wieder der SV Werder. Eine Mannschaftsleistung. Die Bremer kletterten vorübergehend auf Tabellenplatz zwei, Diego sah sich später in seinen Erwartungen bestätigt: „Ich habe vom ersten Spiel an gesagt, dass wir oben mitspielen.“ Kollege Hugo Almeida ergänzte: „Wir sind jetzt Zweiter, obwohl viele Schlüsselspieler verletzt waren“. Geschäftsführer Klaus Allofs bremste seine Profis keinesfalls aus, gab aber zu bedenken: „Die Bayern sind sechs Punkte vorn.“ Allerdings sah auch Allofs, dass „das Zusammenspiel bei uns mit jeder Partie besser wird“, die Rückkehrer würden immer fitter. Vor allem das Mitwirken von Torsten Frings und Clemens Fritz hatte dem Team Schub gegeben. Allofs: „Auch die Bayern werden noch mal straucheln.“
Bei der Wahl zum „Werder-Spieler des Jahres“ hatten in der Vergangenheit stets Stürmer die Nase vorn: 2005 und 2006 gewann Miroslav Klose, 2004 Ailton. Im laufenden Fußballjahr hat sich kein Offensiver wirklich aufgedrängt. Am Samstag rannten sich Almeida und Boubacar Sanogo ein ums andere Mal in der „Berliner Mauer“ fest. Für die meisten der rund 40.000 Zuschauer stand nach der dürftigen ersten Halbzeit fest: Mit diesen Stürmern gewinnst du keinen Blumentopf, geschweige denn den Titel. Obwohl Almeida und der eingewechselte Markus Rosenberg mit ihren Treffern die Weichen zum hoch verdienten Sieg stellten – irgendwie werden sie den Makel nicht los, lediglich so etwas wie Ergänzungsstürmer zu sein. Nur, dass kein Topstürmer mehr da ist, dem sie ergänzend zur Seite stehen könnten.
„Das ist in Ordnung, man muss mit ihnen zufrieden sein“, sagte Allofs über seine Frontleute. Begeisterung hört sich anders an. Trainer Thomas Schaaf meinte nur, dass sich außer Sanogo keiner wirklich in den Vordergrund gespielt habe. Gegen Berlin wurde der Ivorer ausgewechselt.
Dass die Kritik nicht verstummen will, liegt wohl auch daran, dass sie in große Fußstapfen treten, dass die Erwartungen immens gewachsen sind. Und: Die Werder-Stürmer müssen international bestehen können. Angst und Schrecken haben sie in der Champions League bislang jedoch nicht gerade verbreitet.
Bereits am Mittwoch ist Lazio Rom in der „Königsklasse“ zu Gast im Weserstadion. Schon bei einem Remis kann sich Werder die Teilnahme am Achtelfinale abschminken. „Wir müssen gewinnen, aber das ist mit dieser Mannschaft möglich“, sagte Allofs. „Jetzt ist fast die komplette Gruppe wieder zusammen, und die einzelnen Spieler werden sich noch verbessern.“ Ob er dabei in erster Linie an die Stürmer dachte, verriet er nicht.