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Aus Maus mach Mäuserich

Genmanipulationen an weiblichen Mäuseembryos/ Gen auch bei Menschen isoliert  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, was den Unterschied zwischen Mann und Frau ausmacht — zumindest gentechnisch gesehen. Zwei Forschungsteams unter Leitung Peter Goodfellows vom Londoner Krebsinstitut und Robin Lovell-Badges vom „National Institute for Medical Research“ ist es gelungen, ein Gen zu identifizieren, das das Geschlecht des Embryos bestimmt. Indem sie DNA-Fragmente mit diesem Gen in Mäuseembryos injizierten, verwandelten sie weibliche Embryos in männliche.

DNA-Moleküle (Desoxyribonukleinsäure), die Träger der Gene, bestehen aus zwei unverzweigten Polynukleotidsträngen, die als rechtsdrehende Doppelspirale um eine gemeinsame Achse laufen. Als James Watson und Francis Crick von der englischen Universität Cambridge im Jahr 1953 die Struktur dieser Moleküle entdeckten, begann ein transatlantischer Wettlauf zwischen Wissenschaftlern in Großbritannien und den USA um die Suche nach dem „männlichen Gen“.

Die britischen Wissenschaftler erklärten, daß sie dieses Gen nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Menschen isoliert haben. Peter Koopman, ein Mitglied des Forschungsteams, wiegelt jedoch ab: „Wir werden das weder bei Menschen anwenden, noch haben wir ähnlich Finsteres vor.“ Obwohl die manipulierten Mäuse über Penis und Hoden verfügen und „sich weiblichen Mäusen gegenüber so verhalten, wie man es erwartet“, sind sie steril. Deshalb wäre es laut Koopman nicht nur illegal und moralisch verwerflich, diese Manipulation an Menschen vorzunehmen, sondern auch unpraktisch.

Die Forscher haben den geschlechtsbestimmenden Teil (Sry) des Y-Chromosoms, das nur bei männlichen Säugetieren vorkommt, isoliert und befruchteten Mäuseembryos eingepflanzt, die ursprünglich das weibliche Merkmal — zwei X-Chromosomen — trugen. In drei von elf Fällen entwickelten sich die Embryos zu männlichen Mäusen. Koopman glaubt, daß sich das Gen bei den anderen acht Mäusen lediglich an der falschen Stelle in der Empfänger-DNA angesiedelt habe. Das Gen ist nur ein Zweihunderttausendstel so groß wie die gesamte Mäuse-DNA. Männliche und weibliche Mäusembryos sind bis zum zwölften Tag nach der Befruchtung identisch. Die Wissenschaftler glauben, daß Sry die Bildung von Proteinen auslöst, die alle anderen „männlichen Gene“ aktivieren. Koopman glaubt, daß der Versuch eine Grundlage bietet, Krankheiten aufgrund abnormer Entwicklungen zu verstehen.

Schweinezüchter haben bereits Interesse an der Genmanipulation angemeldet, weil männliche Tiere schneller wachsen und magerer sind als weibliche. Nigel Williams, Wissenschaftsredakteur beim 'Guardian‘, hält jedoch auch den umgekehrten Weg für möglich: „Es ist einfacher, ein Gen zu blockieren, als es zu aktivieren.“ Das Mausexperiment war nur bedingt erfolgreich. Dagegen sei durchaus möglich, durch Blockierung des männlichen Gens in allen Fällen weibliche Tiere zu produzieren, „was vor allem in der Rinderzucht interessant sein dürfte“. Die beiden Wissenschaftsteams arbeiten zur Zeit daran, sagte Williams.

Bei Tomaten wird diese Technologie bereits angewendet: Das Gen, das den Reifeprozeß steuert, wird blockiert, damit die Tomaten in den Regalen der Supermärkte nicht so schnell vergammeln.

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