: „Auftragsarbeit der Großindustrie“
■ EU-Parlament lehnt geplantes Investitionsschutzabkommen MAI ab. Kommission will transatlantische Freihandelszone
Berlin (taz) – Mit nur acht Gegenstimmen nahm gestern das Europaparlament einen Antrag der Grünen-Fraktion an, der das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) in seiner gegenwärtigen Form ablehnt. Die Parlamentarier fordern die EU-Mitgliedsstaaten auf, das derzeit im Industrieländerklub OECD verhandelte Abkommen nicht zu unterzeichnen.
Das MAI, das der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler in seinem Bericht an das Parlament als eine „Auftragsarbeit der Großindustrie“ bezeichnete, soll multinationale Konzerne weltweit vor Enteignung und Diskriminierung gegenüber inländischen Unternehmen schützen.
Die EU-Kommission, die an den OECD-Verhandlungen beteiligt ist, erhält mit diesem Votum einen klaren Auftrag: Sie soll dafür sorgen, daß bestehende Umwelt- und Sozialstandards nicht gesenkt werden können und daß bereits vereinbarte internationale Abkommen, wie etwa die UN-Richtlinien zum Verbraucherschutz, nicht unterminiert werden. Außerdem soll der Schutz der „kulturellen Autonomie“ – gemeint ist insbesondere die Film- und Musikproduktion – gewährleistet sein.
In der gestrigen Debatte im Parlament wiesen mehrere Redner darauf hin, daß der MAI-Entwurf in seiner derzeitigen Form den in der Europäischen Union erreichten Standard bei Umwelt- und Arbeitsgesetzgebung bedrohe. Das Parlament will deshalb erreichen, daß in jedem Fall der Europäische Gerichtshof vor einer Unterzeichnung des MAI angehört werden muß.
Daß das MAI noch wie geplant im April unterschriftsreif wird, gilt inzwischen als unwahrscheinlich. Nicht nur die USA bringen immer neue Vorbehalte und Ausnahmewünsche ein. Auch die EU fordert inzwischen, daß Umwelt- und Sozialstandards im Vertragstext auftauchen müssen. Die Parlamentarier wollen erreichen, daß das nicht nur in der Präambel geschieht, sondern daß bindende Regeln in den Vertrag aufgenommen werden. Auch sollen Multis Verhaltenskodizes mit Vorschriften zu Umweltschutz und sozialen Einrichtungen eingehen.
Während die Parlamentarier gestern vor der ungehemmten Globalisierung und ihren Nebenwirkungen warnten, geht die EU- Kommission gerade den umgekehrten Weg. Sie will eine weitreichende Liberalisierung des Handels mit den USA erreichen. Gestern beschloß sie, die EU-Mitgliedsstaaten um ein Verhandlungsmandat zu ersuchen. Die Vorschläge sehen vor, alle Industriezölle zwischen den USA und der EU bis 2010 abzuschaffen und auch für Dienstleistungen eine Freihandelszone einzurichten. lieb
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