■ H.G. Hollein: Auftakt
Das Jahr, das ich hinter mir lasse, wird mir fehlen. Zumindest, was einen Gutteil seiner sprachlichen Hervorbringungen angeht. „Ja war denn scho' Weihnachten?“ lässt sich in leichter Abwandlung des Originals möglicherweise noch eine Zeit lang prolongieren, gleitet angesichts der nun einmal schwindenden Aktualität allerdings unaufhaltsam dem Orkus des Vergessenwerdens zu. Besser schon – weil von ingeniöser Multifunktionalität – stehts um die Kohlschen „Anderkonten“. Da das Leben voll ist von Beschiss und schwarzen, das heißt, Ander-Löchern, sehe ich hier doch etwas, das bleiben wird. Von Ander-Arbeit über Ander-Fahren bis zu Ander-Sehen tut sich da ein überaus weites Feld auf. Vielleicht lässt sich – mit einem leichten intellektuellen Hüpfer – ja auch die Duden-Redaktion für die nächste Auflage ihres Synonym-Lexikons zur Aufnahme von Ander-Frau für Geliebte überreden. Bei der Gelegenheit hätte ich dann gleich noch ein paar ergänzende Vorschläge zur Rechtschreibreform. Bei der Getrenntschreibung zum Beispiel wurde meines Dafürhaltens gegen das Prinzip der konsequenten Maximierung sträflich verstoßen. Ge nug, vor züglich, Un Hold oder halt los sind nur ein paar Anregungen, die ich gerne noch ins neue Regelwerk mit aufgenommen wüsste. Alternativ könnte ich mir aber auch eine völlige Freigabe des Schriftgebrauchs vorstellen, mithin den Rückfall in das kreative Chaos des Frühbarock. „Wi get äs dier? Mihr get äs guth.“ Was wäre an diesem postmodernen Postkartengruß schließlich unverständlich? Und die Anzahl der Lesthageniker wäre auch mit einem Schlag auf Null gebracht. Abzuraten ist allerdings von der bedenkenlosen Wiederaufnahme eines geflügelten Boris-Becker-Wortes. Die Frage „Bin ich etwa schon drin?“ hat für extrem kurzsichtige Besucher einer vollgedampften Sauna bisweilen unerwartete Aqua-Fun-Erfahrungen zur Folge.
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