Auftakt der Regierungsverhandlungen: Niederlande unter Beobachtung
Bang blickt Europa nach dem Wahlerfolg der Populisten auf die Niederlande. Dort beginnt die Regierungsbildung holperig.
F ehlstart für die Partij voor de Vrijheid: Der für Montag vorgesehene Beginn der Koalitionsgespräche, die für die Rechtspopulist*innen zu ihrer ersten Regierungsbeteiligung führen sollen, wurde verschoben. Der als Gesprächsleiter benannte PVV-Senator Gom van Strien trat am Morgen zurück. Das NRC Handelsblad hatte publik gemacht, dass sein früherer Arbeitgeber ihn wegen Betrugs angezeigt habe.
Van Strien behauptet, unschuldig zu sein. Die Unschuldsvermutung gilt bis zum Beweis des Gegenteils natürlich auch für ihn. Mit seinem Rücktritt will man offensichtlich Druck von den Koalitionsverhandlungen nehmen, die ohnehin mit äußerst kritischen Augen verfolgt werden. Ein Ansinnen, das nicht erst mit diesem Auftakt gescheitert ist.
Obwohl Geert Wilders nun händeringend einen Ersatz sucht und die Personalie van Strien damit wieder aus der Öffentlichkeit verschwindet, scheint das alles den Eindruck zu unterstreichen, dass schnell wachsende populistische Parteien ihr Personal unzureichend screenen, was schon mehrfach zu politischen Turbulenzen geführt hat. Die Spannung in der niederländischen Gesellschaft hat nach dem Wahlausgang letzte Woche weiter zugenommen.
Im Interesse aller freilich liegt nun, den stark formalisierten Prozess der Regierungsverhandlungen unter deutlichen Vorzeichen anzugehen, um das Vertrauen in die demokratischen Institutionen nicht noch weiter zu unterminieren. Schon gibt es Social-Media-Posts, die von einer gezielten Diskreditierung van Striens durch liberale Medien sprechen.
Für die übrigen Parteien bedeutet dies, so bald wie möglich ihren Standpunkt bezüglich einer Zusammenarbeit mit der PVV auszuloten und deutlich zu kommunizieren. Der jüngste Zickzackkurs der bisher regierenden Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) ist inhaltlich verständlich, doch erweist die Partei damit nicht nur sich selbst einen Bärendienst.
Und noch eines ist klar: Was derzeit in Den Haag geschieht, geschieht unter aufmerksamer Beobachtung. Bang vor dem Signal-Effekt auf Populist*innen im eigenen Land, blickt ganz Europa nun auf die Niederlande.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?