piwik no script img

AufstiegskampfDie neue Hertha ist jung und erfolgreich

Hertha BSC gewinnt 1:0 bei Energie Cottbus und ist nun alleiniger Tabellenführer der Zweiten Fußball-Bundesliga.

In so viele heitere Gesichter hat man bei Hertha schon lange nicht mehr blicken können. Auch Manager Michael Preetz, dessen Gesicht im Bundesliga-Abstiegskampf immer starrer und maskenhafter wurde, kann seine Mundwinkel seit ein paar Wochen wieder nach oben ziehen. Lächelnd bilanzierte er am Freitagabend nach dem 1:0-Erfolg in Cottbus, dass man mit diesem Saisonstart natürlich sehr zufrieden sei.

Nach sechs Spieltagen führt der Erstligaabsteiger ungeschlagen die Tabelle an. Binnen einer Woche hat man nun auch die wahrscheinlich emotional aufgeladensten Auswärtsbegegnungen dieser Saison gut bewältigt. In Köpenick vor einer Woche musste man sich zwar noch mit einem Pünktchen glücklich schätzen, im Spitzenduell bei Energie Cottbus aber hatte das Team von Markus Babbel seine gehobene Zweitligareife unter Beweis gestellt.

An der Güte des kostspieligen Kaders hatte es ja nie Zweifel gegeben. Die Schlüsselfrage war nur, inwieweit die vielen gestandenen Erstligaprofis mit den rauen Gepflogenheiten der Zweiten Liga zurechtkommen würden.

Im Berlin-Brandenburg-Derby zeigten die Herthaner nun endlich, dass sie auch in puncto Bissigkeit den Vergleich mit der Konkurrenz nicht zu scheuen brauchen. Peter Niemeyer, der Abräumer im Mittelfeld, lobte: "Wir haben alle kämpferisch überzeugt. Auch die offensiven Spieler, wenn man sieht, wie Ramos zurück gearbeitet hat. Oder Raffael im Mittelfeld die Bälle abgrätscht."

Ramos rettete seinem Team gar den Sieg, als er in der Nachspielzeit einen scharf getretenen Ball von der Torlinie noch wegkicken konnte. So blieb Rob Friend der einzige Torschütze des Tages. Verdient war das schon, auch wenn die Cottbuser zuvor schon gute Gelegenheiten hatten, dem Spiel eine andere Wendung zu geben.

Eindeutig zu großspurig fiel dann aber nach dem Abpfiff in der Lausitz die Prognose von Niemeyer aus: "Wenn wir weiter so den Kampf annehmen und unsere Qualitäten ausspielen, dann sind wir in der Zweiten Liga das Maß aller Dinge." Sein Trainer wird diese forschen Töne gewiss nicht gern gehört haben. Babbel neigt vielmehr zu vorsichtigen Formulierungen. Nach dem Derbysieg sagte er: "Ich glaube, ich habe ein gutes Spiel von meiner Mannschaft gesehen."

Babbel weiß, dass zu große Selbstsicherheit und Lockerheit seinem Team letztlich die größten Gegner in dieser Saison werden könnten. Durch die jüngsten Erfolge soll sich sein Team nicht einlullen lassen. Entsprechend harsch reagierte er vor dem Spiel in Cottbus, als Nikita Rukawitsja zu spät zum Training erschien. Kurzfristig suspendierte Babbel ihn aus dem Kader. Vermutlich gehört das zum Einmaleins der Trainerausbildung: Bei erfolgreichen Teams muss man zuweilen Reizpunkte setzen.

Dabei hatte Babbel durchaus auch den Mut, einem 17-jährigen Spieler wie Nico Schulz den Vorrang zu geben, der im rechten Mittelfeld die Position von Rukawitsja einnahm. Schulz konnte durchaus überzeugen. Mit etwas Glück hätte er nach einem feinen Dribbling sein Debüt in der Startelf gar noch mit einem Tor gekrönt, doch seinen Schuss konnte der Cottbuser Torhüter Thorsten Kirschbaum über die Latte lenken. Zu seiner Gefühlslage befragt, erklärte er hinterher: "Wenn man sich die Mannschaft anschaut, sind da doch starke Spieler dabei. Da ist man stolz, wenn man dabei ist."

Gelobt wurde die Jugendabteilung des Vereins schon des Öfteren, nur hatten sich zuletzt die Trainer des Profiteams nicht mehr für die eigenen Profis interessiert. Die Zweite Liga scheint nun unter Trainer Babbel die optimale Einstiegsklasse für die Berliner Talente zu sein. Am Freitag wechselte der Coach auch noch den 17-jährigen Marco Djuricin und den 18-jährigen Pierre-Michel Lasogga ein. Letzterer hätte die gute Stimmung bei Hertha beinahe noch weiter aufgehellt, als er in den Schlussminuten fast das 2:0 erzielte. JOHANNES KOPP

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!