Aufstieg in die erste Liga: "Wir klopfen an die große Tür"
Marc Arnold, Sportdirektor beim Zweitliga-Tabellenführer Eintracht Braunschweig, über wachsendes Vertrauen und gesteigerte Qualität
taz: Herr Arnold, wie waren die Bedingungen, als Sie 2008 hier angefangen haben?
Marc Arnold: Eintracht Braunschweig war ein Verein, der sehr unruhig war. Die Mannschaft hatte die Qualifikation für die Dritte Liga gerade so geschafft. Der Verein war dabei, sich zu professionalisieren, die Ausgliederung der Profiabteilung war gerade umgesetzt. Die Kollegen waren motiviert, ein junges Team mit positiver Grundstimmung.
Und die Mannschaft?
Marc Arnold
42, spielte unter anderem bei den Stuttgarter Kickers, Borussia Dortmund und Hessen Kassel, wo er ab 2007 als Manager weitermachte. Seit Juni 2008 sportlicher Leiter in Braunschweig.
Für meine Begriffe deutlich zu teuer, einige junge Spieler mit großem Potenzial, was man daran sieht, dass von diesen Spielern sieben noch da sind. Wir haben drei Spieler mit laufenden Verträgen abgegeben. Für uns war klar: Wir können den Weg nur mit jungen Spielern gehen.
Gab es einen Plan?
Wir hatten einen Dreijahresplan: Im ersten Jahr die Klasse halten, im zweiten Jahr einstelliger Tabellenplatz, im dritten Jahr um den Aufstieg mitspielen. Das wurde nicht von allen getragen. Bei einem Traditionsverein, wie es Eintracht Braunschweig ist, ist der Klassenerhalt in der Dritten Liga nichts, was sich alle wünschen. Es hat gedauert, bis das Vertrauen in uns und unsere Arbeitsweise da war.
Sie hatten da schon Erfahrung als Manager.
Ich hatte die Funktion vorher bei Hessen Kassel inne, Torsten Lieberknecht hatte die A-Junioren der Eintracht trainiert. Da muss Vertrauen erst entstehen. Irgendwann haben die Fans das mitgetragen.
Und die wirtschaftliche Lage?
Sehr angespannt. Wir mussten Spieler abgeben, um uns bewegen zu können. Wir haben den Personaletat um 30 Prozent gesenkt und die sportliche Qualität gesteigert: Im ersten Jahr waren wir 13., im zweiten Vierter und haben im dritten, 2010/11, alle Rekorde der Dritten Liga gebrochen.
Gibt es jetzt einen Plan?
Gibt es, nicht ganz so konkret. Wir wollten uns in der Zweiten Liga etablieren.
Muss nicht klappen.
Wir wollten mindestens drei Jahre in Folge in der Zweiten Liga bleiben. Das ist schon deshalb wichtig, um das wirtschaftliche Fundament zu verbessern. Ich weiß gar nicht, wann die Eintracht zum letzten Mal drei Spielzeiten in der Zweiten Liga war. Nur die Wahrnehmung war eine andere.
Wie denn?
Wenn wir mit den Fans diskutiert haben und gesagt haben, dass Braunschweig in den vergangenen 18 Jahren nur drei Spielzeiten in der Zweiten Liga war, haben die gesagt: Kann nicht sein, nur drei Spielzeiten?
Nun sind sie seit dem zweiten Spieltag Erster.
Wir klopfen an die große Tür. Der Trainer und ich haben mal dort gespielt, da willst du auch wieder hin. Es ist aber jedem klar, wie außergewöhnlich es ist, dass wir da oben sind.
Tabellenführung sind Sie gewohnt.
Die Spieler kennen das aus der Dritten Liga, da ist keiner, der damit nicht umgehen kann. Ein paar haben gesagt: Die werden Probleme bekommen, wenn die mal verlieren. Wir haben gegen Cottbus verloren und dann zehn Punkte, drei Siege, ein Unentschieden, geholt.
Was muss eine Mannschaft haben, die das kann?
Die Mannschaft ist sehr fokussiert, hat Biss, kann Rückstände aufholen. Wie wir aus der Winterpause kommen, weiß niemand, aber über die bisherigen Spiele kann man sagen: Die Mannschaft ist zusammengewachsen, viele Abläufe sind routinemäßig eingespielt. Von daher ist die Voraussetzung gut, dort zu bleiben, wo wir sind.
Es geht ja nun drum, wie viel Potenzial da ist.
Die Mannschaft ist nicht am Ende ihrer Entwicklung. Dazu sind wir noch nicht lange genug in der Zweiten Liga. Die Spieler sind hungrig, gierig, jeder freut sich, da zu spielen. Keiner nimmt das für selbstverständlich. Da sehe ich Ernsthaftigkeit und Demut. Sie hören dem Trainer zu und setzen das um, die nehmen die Dinge an, sie sehen, dass das zum Erfolg führt.
Ein paar Verträge laufen aus.
Gespräche laufen.
Sie lächeln, also laufen die Gespräche gut.
Na ja, die Spieler müssen überlegen, was Sinn macht. Kumbela weiß, dass er hier ein Umfeld hat, wir ihm ein Umfeld bieten, in dem er seine Tore schießen kann. Es war nicht ganz einfach, ihn hier wieder durchzusetzen, nachdem er mal da war. Er arbeitet aber viel professioneller als damals.
Und das wirtschaftliche Potenzial?
Im Aufstiegsjahr haben wir 235.000 Euro Gewinn gemacht, im Geschäftsjahr 2011/12 nun 1,7 Millionen. Ich glaube, das ist in der Zweiten Liga eine außergewöhnliche Leistung.
Als Profi haben Sie selbst erlebt, was passiert, wenn ein Aufsteiger in die Erste Liga alles umkrempelt.
Sie meinen Hertha in der Saison 97/98. Stimmt. Da kamen Spezialisten wie Sergey Mandreko, Alphonse Tchami, Bryan Roy. Und die Spieler, die den Aufstieg klargemacht haben, saßen draußen. Das hat nicht funktioniert, dann haben wieder wir Alten wie Ante Covic und die anderen gespielt, wir haben dann fünf oder sechs Siege hintereinander geholt. Wir machen jetzt die Erfahrung, dass eine eingespielte Mannschaft Vorteile bringt. Das war auch beim Aufstieg in die Zweite Liga so. Wir haben im Sommer nur vier Spieler geholt, obwohl alle sagten: Das zweite Jahr wird viel schwerer.
Die Erste Liga ist eine andere Hausnummer.
Das ist mir klar. Aber die Mannschaft hat 44 Punkte geholt, in ihr muss was stecken. Wir verlängern die Verträge nicht im Hinblick auf die Liga, in der wir nächste Saison spielen, sondern weil die Spieler gut sind. Die Gruppe ist intakt, wenn wir aufsteigen sollten, muss die Qualität der Neuzugänge höher sein.
Was ist mit der Infrastruktur?
Wenn der Ausbau fertig ist, fasst das Stadion 25.000 Zuschauer. Wenn die Haupttribüne fertig ist, können wir bei der Vermarktung mehr machen. Wir haben 13.000 Dauerkarten und sind ständig ausverkauft. Mehr als ausverkauft geht nicht.
Was wäre noch nötig?
In der Ersten Liga bräuchten wir Rasenheizung auf dem Trainingsplatz und müssten dort das Flutlicht verbessern. Wir haben ein Nachwuchsleistungszentrum in der Stadt, tolle Anlage: Das sind vier Rasen- und ein Kunstrasenplatz, da entwickelt sich was. Der wirtschaftliche und finanzielle Aufwand wächst in diesem Bereich. Wir heben die Qualität der Trainer, Jugendarbeit ist ein langfristiger Prozess. Die U 23 ist in der Oberliga Tabellenführer, U 19 und U 17 spielen Regionalliga, vielleicht steigt eine von beiden auf.
Viele Gründe, euphorisch zu sein.
Wie bremsen nichts. Wir hindern niemanden daran, sich zu freuen. Was anderes ist, wie wir – Trainer, Mannschaft – damit umgehen. Wir müssen fokussiert bleiben, dürfen uns nicht ablenken lassen, müssen alles weiter genau angucken, sachlich bleiben in der Analyse.
Es klingt, als arbeite direkt nebenan ein Presslufthammer. Wie lange geht hier schon so?
Im Moment ist das seit zwei Tagen so. Ich hab das Gefühl, der Presslufthammer sitzt in meinem rechten Ohr.
Wann wird die neue Geschäftsstelle fertig?
Im Sommer.
Eigentlich ist diese Baustelle Ihre einzige.
Ja, alles andere flutscht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut