piwik no script img

Aufstand in SyrienPanzer in rebellischer Grenzstadt

Regimetruppen besetzen die Stadt Dschisr al-Schughur. Dabei kommt es zu Gefechten. Ein Menschenrechtsaktivist berichtet über zahlreiche Desertionen in der Region.

Vor den Kämpfen geflohene Syrer demonstrieren nahe der türkischen Grenze. Bild: The New York Times/dapd

BEIRUT dapd | Nach schweren Gefechten mit aufständischen Soldaten haben syrische Regierungstruppen am Sonntag die Stadt Dschisr al-Schughur im Nordwesten des Landes wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Der amtlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge entschärften Heereseinheiten Sprengsätze an Straßen und Brücken und rückten mit Unterstützung von Kampfhubschraubern und Panzern in die Stadt ein. Es sei zu heftigen Gefechten gekommen. Auf ihrem Vormarsch auf Dschisr al-Schughur wurden Regierungstruppen von Scharfschützen unter Feuer genommen.

Bewohner von Dschisr al-Schugur, die in die Türkei geflohen waren, sagten, Tausende junge Männer hätten sich bewaffnet und Sprengstoff an den Zufahrtswegen zur Stadt platziert. Zu den jungen Männern zählten Soldaten und Polizisten, die sich dem Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad angeschlossen hätten.

Die Truppen griffen die Stadt in rund 200 Fahrzeugen von südlicher und östlicher Seite an, wie das örtliche Koordinationskomitee mitteilte, das die regierungskritischen Proteste in Syrien dokumentiert. Regierungstreue Soldaten sagten, sie würden Bewaffnete in Dschisr al-Schughur festnehmen.

Uniformierte Leichen in Massengrab

Die Soldaten entdeckten vor dem Gebäude der Militärpolizei in einem Massengrab zehn uniformierte Leichen. Mindestens vier der Leichen waren enthauptet worden, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AP sagte, der die syrischen Truppen begleitete. Die Spuren stützten Berichte, nach denen es in der vergangenen Woche zu einer Meuterei in der 40.000 Einwohner zählenden Stadt Dschisr al-Schughur gekommen war.

Ein Bewohner berichtete, die syrischen Streitkräfte hätten Dschisr al-Schughur beschossen, anschließend seien Panzer von zwei Seiten eingerückt. Als die Truppen vorgerückt seien, hätten sie gegen ca. 60 abtrünnige Soldaten gekämpft, deren Schicksal unbekannt sei. Rund 200 unbewaffnete Männer, die die Stadt bewacht hätten, seien vermutlich getötet oder festgenommen worden, sagte der aus der Stadt geflohene Bewohner. Bis zum Sonntagmittag waren die Straßen von Dschisr al-Schughur größtenteils verlassen.

Der Menschenrechtsaktivist Mustafa Osso sagte, das syrische Heer führe Militäreinsätze in drei Gebieten der nördlichen Provinz Idlib durch, in der auch Dschisr al-Schughur liegt. Vorrückende Truppen, die Panzer, Artillerie und Kampfhubschrauber einsetzten, kämpften gegen hunderte abtrünnige Soldaten aus der Gegend. "Dies ist die größte und gefährlichste Welle von (militärischen) Lossagungen" seit Beginn des Aufstands gegen das Regime von Assad Mitte März, sagte Osso.

Nach Angaben des türkischen Außenministeriums flohen in den vergangenen Tagen mehr als 6.000 Syrer aus der Provinz Idlib in die Türkei. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf der Regierung in Damaskus "Grausamkeit" vor, bot jedoch auch Gespräche an, um die Krise zu überwinden. Der Rote Halbmond begann mit dem Bau eines vierten Flüchtlingslagers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!