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Aufstand Jugendlicher in KamerunKrise weiter ungelöst

Gespannte Ruhe nach dem Sturm: Die Proteste von Jugendlichen in Kamerun wurden niedergeschlagen. Der Unmut über steigende Lebensmittelpreise bleibt.

Da war er noch beliebt: Kameruns Präsident Paul Biya. Bild: dpa

YAOUNDÉ taz In den Städten Kameruns ist der Alltag zurückgekehrt. Der Generalstreik der letzten Woche, die Proteste, die Ungewissheit und Anspannung dieser Tage scheinen seltsam unwirklich. Der Preis: Gendarmerie, bewaffnete Militärs und Polizisten überall. Es herrscht eine angespannte Ruhe, der viele nicht trauen. "Für den Moment ist der Aufruhr unterdrückt", meint Clovis Atatah, Vorsitzender des Verbands anglophoner Journalisten in der Hauptstadt Yaoundé. "Aber in ein, zwei Monaten wird der Protest, der jetzt spontan war, sich organisiert haben und wieder losgehen."

Was Anfang letzter Woche mit einem Streik der Taxifahrer in der Handelsmetropole Douala begann, hatte sich von einem Tag auf den anderen zu einer Krise ausgeweitet, deren Vehemenz viele überraschte. In Douala und Yaoundé sowie anderen Städten der Provinzen West, Nordwest und Südwest herrschte zwischen 25. und 29. Februar ein faktischer Ausnahmezustand. In der Stadt Bafoussam fuhren von Dienstag bis Freitag keine Autos, keine Motorräder, nichts. Wer es privat versuchte, riskierte, angegriffen zu werden. Drei Tage lang waren die Straßen leergefegt, waren Cybercafés, Banken, Geschäfte geschlossen. Wer keine Lebensmittelvorräte zu Hause hatte, hatte ein Problem. Und es war unmöglich, von einer Stadt in die andere zu kommen, denn der Verkehr lag brach. Wer gerade im Land unterwegs war, saß fest und fand sich unerwartet in kleinen Schicksalsgemeinschaften wieder, die gebannt die Nachrichten im Privatsender Canal 2 verfolgten.

"Für die Armen und Kleinhändler ist dieser Streik ein enormes Opfer gewesen", meint ein Regierungsbeamter aus Garoua im Norden, der auf Durchreise in Bafoussam war und sich wie viele andere drei Tage nicht auf die Straße wagte. "Für sie ist jeder Tag ohne Einnahmen ein schwerer Verlust."

Am meisten berührt viele der kamerunischen Gesprächspartner in diesen Tagen unabhängig von sozialer Schicht und Einkommen, dass es "Kinder" waren, die revoltieren. Es war ein Jugendaufstand, brutal niedergeschlagen, mit vermutlich über 100 Toten und hunderten Festgenommenen. Dass die Jugendlichen Grund zur Unzufriedenheit haben, verstehen alle. Die stark gestiegenen Preise für Lebensmittel und Benzin finden alle eine Zumutung, und die Bevölkerung will auch keine Verfassungsänderung, die Präsident Paul Biya unbegrenzte Amtszeiten erlaubt. Aber bei der Aggression, mit der Tankstellen und öffentliche Gebäude angegriffen und Autos zerstört wurden, gehen die Meinungen auseinander und die Emotionen hoch. "Es ist für uns Junge unmöglich, uns auszudrücken und gehört zu werden", erklärt Marie-Noel, die in Yaoundé Management studiert. "Die Demonstranten hatten recht damit, auf die Straße zu gehen." Die Krise sieht sie dennoch als Albtraum, die Proteste aufgrund der Gewalt insgesamt als "unglückliche Erfahrung".

"Ich würde den Aufstand nicht als Jugendrevolte bezeichnen", meint Journalistenchef Atatah, "aber verglichen mit den Unruhen Anfang der 1990er-Jahre ist der Anteil der Jungen sehr hoch." Damals, während der Aufstände gegen das damalige Einparteienregime, wurde er politisiert. Er wurde Journalist, um etwas zu verändern. Heute zieht er Bilanz: "Es scheint unmöglich, in Kamerun etwas zu verändern."

Die Jungen, die letzte Woche eher unorganisiert auf die Straße gingen, haben diese Erfahrung noch nicht gemacht. Ihr massiver Protest kam für viele unerwartet, war nicht parteipolitisch motiviert und nicht politisch organisiert. Laut Atatah waren die meisten arbeitslos. Aber: "Die Jungen haben begriffen, dass Biya ewig an der Macht bleibt, wenn sie jetzt nicht handeln", meint er.

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