: Aufruhr in Georgien
■ 16 Tote und 100 Verletzte bei Demonstrationen in Tiflis / Panzer rollen in der georgischen Hauptstadt
Moskau (afp) - Bei Demonstrationen in der georgischen Hauptstadt Tiflis sind in der Nacht zum Sonntag 16 Menschen getötet und etwa 100 weitere verletzt worden. Das meldete Sonntag mittag der lokale Fernsehsender, berichteten Einwohner der Stadt telefonisch nach Moskau. Sie vermuteten, daß es noch mehr Opfer gegeben habe.
Den Angaben zufolge gingen Sondertruppen des sowjetischen Innenministeriums, die am Vortag in die kaukasische Sowjetrepbublik Georgien entsandt worden seien, gegen vier Uhr morgens mit Eisenschlagstöcken und Tränengas gegen „Tausende“ von Menschen vor, die sich bereits den vierten aufeinanderfolgenden Tag vor dem Regierungsgebäude um eine Gruppe von Hungerstreikenden versammelt hatten.
Zehntausende von Menschen hatten in den vergangenen Tagen in Tiflis für eine Abschaffung des Autonomie-Status der zu Georgien gehörenden Republik Abchasien sowie für die Unabhängigkeit ihres Landes von der Sowjetunion demonstriert. Die Abchasen dagegen fordern, daß ihr im Nordwesten Georgiens gelegenes Gebiet nach dem Vorbild Berg Karabachs der Moskauer Zentralregierung unterstellt wird.
Wie Einwohner aus Tiflis weiter berichteten, gerieten die Sondertruppen auch mit der georgischen Polizei aneinander, die versucht habe dazwischenzugehen. Weiter hieß es, über die georgische Hauptstadt solle eine Ausgangssperre verhängt werden. In dem Kommunique, das im Rundfunk verlesen wurde, seien die Führer „extremistischer Gruppen“ beschuldigt worden, die Verantwortung für die Ereignisse zu tragen. Fortsetzung auf Seite 2
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Das unabhängige sowjetische Mitteilungsblatt 'Express Chronika‘ hatte zuvor bereits berichtet, mit Knüppeln bewaffnete Sondereinheiten der Polizei hätten in der Nacht zum Sonntag rund 100 Hungerstreikende auseinandergetrieben, die seit vier Tagen im Zentrum von Tiflis demonstrierten.
Am Freitag hatten Zehntausende von Menschen in Tiflis für die Aufhebung der Autonomie der Abchasischen Republik demonstriert. Als die Kundgebungen am Samstag andauerten, fuhren Panzer in den Straßen der Stadt auf. Nach Angaben von georgischen Nationalisten ließen sich Tausende von Demonstranten jedoch durch die fünf oder sechs Panzer nicht stören.
Die sowjetische Regierungszeitung 'Iswestija‘ und die Nachrichtenagentur Tass hatten erstmals am Samstag abend über die „komplizierte Situation“ in Tiflis berichtet. Nach ihren Angaben gelang es den Führern „einiger informeller Grup
pen“, sich mit „anti-sowjetischen Slogans“ an die ursprünglichen Forderungen der Georgier anzuhängen.
Die Forderung der georgischen Nationalisten, dem Autonomiestatus für Abchasien ein Ende zu machen, gründet sich auf die Bevölkerungsstruktur in dieser Republik. Nach einer Volkszählung aus dem Jahr 1979 leben in Abchasien zwar 83.000 Abchasen, jedoch stellen die Georgier mit 213.000 Einwohnern bei weitem die Mehrheit.
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