■ Aufregung um Indiens Nein zum Atomteststoppvertrag: Resultat von Manipulationen
Die Aufregung über das angeblich endgültige Scheitern der Bemühungen um einen Atomwaffenteststoppvertrag ist Resultat monatelanger Selbsttäuschungen der Clinton-Administration und anderer westlicher Regierungen in ihrer Haltung zu Indien. Schon zu Beginn der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz im September 1994 hatte Neu-Delhi unmißverständlich, aber vergeblich die Forderung gestellt, die fünf offiziellen Atomwaffenmächte USA, Frankreich, Großbritannien, Rußland und China müßten sich verbindlich zur Abrüstung ihrer Atomarsenale verpflichten, zumindest sich aber zu formellen Abrüstungsverhandlungen bereiterklären. Sonst werde Indien ein Abkommen nicht unterschreiben.
Die indische Haltung am Genfer Verhandlungstisch entspricht der Politik aller Regierungen des Landes seit 1954. Daß Indien 1974 einen Atomwaffentest durchgeführt hat und immer wieder einzelne Politiker oder Parteien mit der Forderung nach einer Atombewaffnung des Landes aufgetreten sind, ändert an dieser Linie wenig. Dennoch vertraten amerikanische, aber auch andere westliche Diplomaten in Genf Anfang des Jahres ernsthaft die Ansicht, die Haltung der Regierung Rao sei nur Wahlkampftaktik, um den Hindu-Nationalisten und den linken Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nach den Wahlen werde Indien seine Forderungen schon aufgeben und dem Genfer Vertragsentwurf zustimmen. Eine krasse Fehleinschätzung: Rao hat die Wahlen verloren.
Die politischen Kräfte, die tendenziell eine Option Indiens auf einige Atomwaffen offenhalten wollen, wurden gestärkt. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt auch die unbewiesenen Anschuldigungen der Clinton-Administration, wonach Indien einen zweiten Atomwaffentest vorbereite.
Das jetzt absehbare Ergebnis der Genfer Verhandlungen dürfte die gefährliche innenpolitische Meinungsbildung in Indien weiter befördern. Das Land wird zum Sündenbock gemacht. Zugleich wachsen in Neu-Delhi – ob zu Recht oder Unrecht – die Bedrohungsängste vor den Nachbarn China und Pakistan. Doch erneut geben sich westliche Diplomaten in Genf der Hoffnung hin, nach einer Schamfrist von drei bis fünf Jahren werde Neu-Delhi dem Atomwaffenteststoppvertrag zustimmen. Dies könnte sich abermals als Fehleinschätzung erweisen. Andreas Zumach
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