Auflösung von Guantanamo: Uiguren bitten Schäuble um Aufnahme
In einem eindringlichen Apell bitten vier Guantanamo-Gefangene um Asyl in Deutschland. Hierzulande gibt es die europaweit größte uigurische Minderheit. Ansonsten geht es nach Palau.
BERLIN/KOROR ap/afp/rtr/dpa/taz | Vier Uigurische Häftlinge des US-Gefangenenlagers Guantanamo haben an die Bundesregierung appelliert, ihnen eine Aufnahme in Deutschland nicht zu verweigern. "Unsere Mandanten bitten die Bundesregierung inständig, Deutschlands Tür für sie zu öffnen und damit auch andere europäische Nationen zu überzeugen, den vielen anderen staatenlosen Guantanamo-Häftlingen Schutz zu geben", sagte die Anwältin Seema Saifee gegenüber Spiegel-Online.
Saifee hat ihre vier Mandanten in der vergangenen Woche in Guantanamo besucht und von der kritischen Haltung des Bundesinnenministeriums berichtet, das die von den USA erbetene Aufnahme bisher aus Sicherheitsgründen ablehnt. "Die Uiguren sind darüber entsetzt und enttäuscht", sagte die Anwältin.
Seema Saifee widersprach zudem Darstellungen, die Männer hätten Ausbildungslager der Taliban oder Al-Kaida aufgesucht. Die Männer würden Deutschland mit seiner europaweit größten uigurischen Minderheit als "beste Lösung" für das Leben nach ihrer Freilassung ansehen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hatte vergangene Woche bei der Innenministerkonferenz in Bremerhaven deutlich gemacht, dass die bisher von den USA gelieferten Informationen nicht ausreichten, um Häftlinge aufzunehmen.
Die USA wollen nach Angaben de niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann neun chinesische Uiguren nach Deutschland abschieben. Alle seien in Terrorcamps ausgebildet worden, sagte der CDU-Politiker. Die Uiguren sind eine in China beheimatete muslimische Minderheit. In ihrem Heimatland droht ihnen eine Anklage wegen Terrorismus.
Ab auf die Insel
Die entlegene Pazifikinsel Palau erklärte sich derweil am Mittwoch auf Bitten der USA bereit, wenigstens vorübergehend 17 Insassen des US-Internierungslagers Guantanamo aufzunehmen. Die Aufnahme solle von Zeit zu Zeit überprüft werden, heißt es in einem Schreiben von Präsident Johnson Toribiong. Bei den Internierten, die nach Palau geflogen werden, handelt es sich ebenfalls um chinesische Muslime.
Ein US-Richter hatte die Freilassung der Uiguren verfügt. "Ich bin geehrt und stolz, dass die Vereinigten Staaten Palau gebeten haben, bei solch einer entscheidenden Aufgabe zu helfen", fügte der Präsident hinzu. Das ozeanische Palau hat nur rund 20.000 Einwohner. Von seinen 241 Inseln sind elf bewohnt.
Erster Guantanamo-Häftling vor ordentlichem Gericht
Im ersten Prozess eines Guantanamo-Häftlings vor einem US-Zivilgericht hat der Angeklagte auf "nicht schuldig" plädiert. Das mutmaßliche Al-Kaida-Mitglied Ahmed Ghailani muss sich vor einem New Yorker Bundesgericht wegen der Bombenschläge auf US-Botschaften in Tansania und Kenia im August 1998 verantworten, bei denen 224 Menschen ums Leben gekommen waren. Für jeden der Toten steht Ghailani einzeln unter Mordanklage.
Der Tansanier wurde seit September 2006 in dem US-Gefangenenlager auf Kuba festgehalten. Ghailani werden nach Angaben des Justizministeriums 286 Anklagepunkte zur Last gelegt – darunter auch Verschwörung mit dem Extremistenanführer Osama Bin Laden und weiteren ranghohen Al-Kaida-Mitgliedern zur Ermordung von US-Bürgern. Bei einer Verurteilung droht dem Angeklagten die Todesstrafe.
US-Präsident Barack Obama hatte erst kürzlich sein Wahlversprechen bekräftigt, das weltweit kritisierte Lager Guantánamo auf Kuba zu schließen. Viele Häftlinge sollten in Hochsicherheitsgefängnisse in die USA gebracht werden. Dagegen hatten sich zahlreiche Parlamentarier gewandt, auch aus der Demokratischen Partei Obamas.
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