: Auflösung der Kategorie „Geschlecht“
■ Eine Vortragsreihe „Postfeminismus“ beschäftigt sich mit der Sex/Gender-Debatte
„Ich bin ich“ – daß diese programmatischen Zeiten vorbei sind, hat sich schon lange herumgesprochen – auch im Feminismus. Die langjährigen Diskussionen um Gleichheit und Differenz der Geschlechter haben sich verlagert. Besonders Judith Butlers 1990 (deutsch 1991) erschienenes Buch Gender Trouble trägt zur Auseinandersetzung mit einer grundsätzlichen Kritik an der Kategorie „Geschlecht“ selbst bei, die bis zu deren Auflösung reicht.
Die von Feministinnen immer wieder betonte Unterscheidung in „sex“ (das biologisch-anatomische Geschlecht) und „gender“ (das sozial-kulturelle Geschlecht), die die Festschreibung der Frauen auf ihr biologisches Sein als patriarchalen Machtgestus enthüllt hatte, wird von Butler als Teil eben dieses Machtspiels abgelehnt.
„Sex“ begreift sie ebenso als Konstrukt wie „gender“. Unsere scheinbar so natürliche Geschlechtsidentität und die alltägliche Wahrnehmung von genau zwei Geschlechtern entlarvt Butler als ebenso durch Diskurse produziert wie die binären Oppositionen Männlich/Weiblich oder Natur/Kultur.
Die durch Butlers heiß umstrittenes Buch ausgelöste Debatte soll in dieser Woche in der Uni Hamburg fortgesetzt werden: Die Arbeitsstelle für feministische Literaturwissenschaft veranstaltet eine Reihe mit drei Vorträgen unter dem Titel „Postfeminismus“. In den Vorträgen werden unterschiedliche Positionen zur Geschlechterfrage aus soziologischer, philosophischer und linguistischer Perspektive diskutiert und Konsequenzen für die Kategorien des Körpers, der Andersheit und des Sozialen analysiert.
Die Berliner Soziologin Gesa Lindemann hat mit ihrer Arbeit zur Geschlechtsidentität von Transsexuellen (Das paradoxe Geschlecht) in die Sex/Gender-Debatte eingegriffen. Heute abend unternimmt sie in ihrem Vortrag „Dokumente der Geschlechterasymmetrie“ den Versuch, die dokumentarische Methode des Soziologen Karl Mannheim auf den Prozeß der Konstruktion von Geschlecht zu übertragen.
Morgen geht die Hamburger Philosophin Sabine Gürtler der Frage „Weiblichkeit als diskursiver Effekt?“ nach und bezieht sich dabei auf den französischen Philosophen Emmanuel Lévinas. Helga Kotthoff (Linguistin aus Konstanz) wendet sich am Mittwoch „Gegen die Entmachtung des Sozialen“, wenn sie untersucht, welche Rolle die Kategorie „Geschlecht“ und die Geschlechterhierarchie auf verschiedenen Kommunikationsebenen spielt.
Ulrike Vedder/Claudia Thomsen
Die Vorträge beginnen um 20 Uhr und finden im Hörsaal, Phil-Turm E, Von-Melle-Park 6 (Campus), statt. Den Titel „Postfeminismus“ trägt auch die neueste Ausgabe der Zeitschrift „Frauen in der Literaturwissenschaft“, die von der Arbeitsstelle für feministische Literaturwissenschaft (Tel.: 4123-4818) publiziert wird und während der Vortragsreihe oder direkt in der Arbeitsstelle für 15,- DM (Stud. 8,- DM) zu haben ist.
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