Aufenthaltsrecht für Nachgezogene: Scheinerfolg gegen Scheinehen
Die Bundesregierung will nachgezogenen ausländischen Ehegatten erst nach drei statt bisher zwei Jahren ein Aufenthaltsrecht geben. Für viele TürkInnen wird das nicht gelten.
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FREIBURG taz | Das geplante Gesetz gegen Scheinehen wird zu großen Teilen leerlaufen, denn ausgerechnet auf türkische Ehegatten ist es überwiegend nicht anwendbar. Das bestätigte jetzt die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen.
Derzeit müssen aus dem Ausland nachgezogene Ehegatten mindestens zwei Jahre in Deutschland die Ehe leben, bis sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht haben, das sie vor Abschiebung schützt. Die Bundesregierung will nun aber die Mindestbestandszeit der Ehe auf drei Jahre erhöhen, um den Anreiz zur Eingehung von Scheinehen zu verringern. Menschenrechtler kritisieren, dass Opfer von Zwangsehen dann ein Jahr länger der Gewalt ausgesetzt sind, jedenfalls wenn sie diese nicht eindeutig beweisen können.
Nun stellt sich allerdings heraus, dass die geplante Erhöhung der Mindestehezeit in vielen Fällen gar nicht greifen wird. Denn ein Beschluss des EU-Türkei-Assoziationsrates von 1980 sieht vor, dass die Bedingungen für türkische Arbeitnehmer und ihre Angehörigen in der EU nicht verschlechtert werden dürfen.
Die Bundesregierung legte diese Bestimmung bisher so aus, dass nur Verschlechterungen gegenüber dem Zustand von 1980 verboten sind. Doch der Europäische Gerichtshof stellte im vergangenen Dezember in einem anderen Fall fest, dass jeder Rückschritt gegenüber dem bereits Erreichten verboten ist.
Damit kann also auch die Mindestehezeit für türkische Ehegatten nicht mehr erhöht werden, soweit "diese zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind", schreibt die Bundesregierung.
Sevim Dagdelen kritisiert, dass so die geplante Erhöhung der Mindestehezeit nur für ökonomisch besonders abhängige türkische Ehegatten, die keinerlei Erwerbsarbeit nachgehen, gelten soll: "Gerade die Opfer von Zwangsheiraten und gewalttätigen Beziehungen dürften wohl weiter betroffen sein." Sie fordert: Die Bundesregierung soll im Interesse des Opferschutzes auf die Verschärfung verzichten.
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