Aufenthaltsgesetz: Ohne Angst ins Krankenhaus
Der Bundesrat schränkt die Meldepflicht für Irreguläre ein und erleichtert so deren Behandlung im Krankenhaus. Beim Arztbesuch droht weiterhin die Abschiebung.
Menschen ohne Aufenthaltsstatus können sich in Notfällen künftig in Krankenhäusern behandeln lassen, ohne eine Abschiebung fürchten zu müssen. Einer entsprechenden juristischen Klarstellung stimmte der Bundesrat auf seiner letzten Sitzung zu. Die Namen- und Adressdaten von Patienten ohne Aufenthaltsstatus dürfen nun nicht mehr an die Ausländerbehörden weitergegeben werden.
Das Asylbewerberleistungsgesetz legt fest, dass Menschen ohne Aufenthaltsstatus über das Sozialamt krankenversichert sind. Bisher waren die Sozialämter aber verpflichtet, jeden Fall von illegalem Aufenthalt der Ausländerbehörde zu melden. Die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung konnte deswegen die Abschiebung zur Folge haben. Viele Irreguläre scheuten sich deshalb, sich im Krankheitsfall behandeln zu lassen. Antirassistische Initiativen, Ärzteorganisationen und Kirchen hatten seit Jahren darauf gedrängt, die Meldepflicht von Gesundheitseinrichtungen und Kostenträgern abzuschaffen.
Der Bundesratsbeschluss kommt dieser Forderung nun teilweise nach. Die Länderkammer änderte dazu die Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz. Dabei wurde die sogenannte Übermittlungssperre von Informationen, die dem Arztgeheimnis unterliegen, erweitert. Als "verlängerter Geheimnisschutz" gilt sie jetzt nicht nur für Ärzte, sondern auch für die Krankenhausverwaltung und das Sozialamt. Die Regelung wird in den nächsten Wochen in Kraft treten.
Die Übermittlungssperre gilt aber nur für Daten, die aus Krankenhäusern kommen. Sie greift nicht, wenn sich Irreguläre mit der Bitte um einen Krankenschein direkt an das Sozialamt wenden. "Wie begrüßen das natürlich sehr, aber der Bundesratsbeschluss reicht bei weitem nicht aus", sagt deshalb Johannes Krickenberg, Geschäftsführer des Katholischen Forums Leben in der Illegalität. Der "Regelfall", die medizinische Behandlung bei niedergelassenen Ärzten, sei irregulären Migranten faktisch weiterhin versperrt. "Papierlose sollten aber auch außerhalb der reinen Notfallversorgung in Krankenhäusern ihr Recht auf Behandlung wahrnehmen können." Krickenberg fordert deshalb, Sozialämter grundsätzlich aus der Meldepflicht zu nehmen. "Ein Behördenkontakt zur Wahrnehmung sozialer Rechte darf nicht für polizeiliche Aufgaben missbraucht werden."
Marion Chenevas von der deutschen Sektion von Ärzte der Welt - open med - in München lobt die Novelle als ersten positiven Schritt: "Der Zugang zum Krankenhaus war bis jetzt ein großes Problem. Wir können die Patienten jetzt in Notfällen mit gutem Gewissen ins Krankenhaus schicken. Das ist eine deutliche Verbesserung."
Ihre Organisation stellte am Donnerstag in Brüssel eine Studie zur medizinischen Versorgung von Papierlosen in Europa vor. Die Befragung von über 1.200 Irregulären in elf EU-Ländern ergab, dass fast die Hälfte von ihnen in den letzten zwölf Monaten auf eine medizinische Behandlung verzichtete. Jeder Sechste litt an chronischen Gesundheitsproblemen, 80 Prozent der Befragten war in ihrer "letzten Krankheitsepisode keine Kostenübernahme zugutegekommen". Die Situation in Deutschland sei dabei im EU-Vergleich "mit am schwierigsten", sagt Chenevas. Schätzungen zufolge leben in Deutschland rund eine halbe Million Menschen ohne Aufenthaltsstatus.
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