Aufarbeitung in Rumänien: Medienmogul war IM
Das oberste Kassationsgericht bestätigt Vorwürfe gegen den Medienmogul Dan Voiculescu. Demnach war er ein inoffizieller Mitarbeiter der Geheimpolizei Securitate
BERLIN taz | Das oberste Kassationsgericht Rumäniens hat bestätigt, dass der Vizepräsident des Senats, Dan Voiculescu, ein inoffizieller Mitarbeiter der politischen Geheimpolizei Securitate war. Bereits vor fünf Jahren hatte der Landesrat für das Studium der Securitate-Archive, wie die rumänische Gauck-Behörde offiziell heißt, eine Mitteilung erlassen, in der Voiculescu als IM bezeichnet wurde.
Der Fall stieß in der rumänischen Öffentlichkeit auf ein breites Interesse. Zahlreiche Zeitungen zitierten aus den unter dem Decknamen "Felix" verfassten Berichten Voiculescus, in denen er politisch verfängliche Details über Verwandte, Bekannte und Ausländer an den Geheimdienst des Ceausescu-Regimes übermittelt hatte. Voiculescu setzte sich zur Wehr. Seine Anwälte klagten gegen die von der rumänischen Gauck-Behörde vorgelegte Bestätigung seiner Agententätigkeit. Hinzu kam ein Heer von Journalisten seines Medienimperiums, die den Auftrag erhielten, eine Verharmlosungsschlacht im Sinne ihres Brotgebers vom Zaun zu brechen.
Zuvor hatte Voiculescu, der sich als Dolmetscher für Deutsch bereits 1970 unter dem Decknamen "Mircea" seine ersten Sporen als IM verdient hatte, eine eidesstaatliche Erklärung abgegeben, in der er jegliche Kontakte zur Securitate leugnete.
Der 1946 geborene Voiculescu gehört heute zu den reichsten Leuten Rumäniens. Sein Vermögen wird auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Den Grundstock dafür legte er in der Ceausescu-Zeit. Damals arbeitete er für die zyprische Firma Crescent. Als deren Vertreter im kommunistischen Rumänien habe Voiculescu sich laut Presseberichten auch als Devisenbeschaffer des wirtschaftlich maroden Ceausescu-Systems betätigt. Dabei sollen mit Hilfe der Securitate auch Gelder abgezweigt worden sein. Voiculescu gründete nach 1989 seine Außenhandelsfirma Grivco. In den folgenden Jahren errichtete er sein heute fast unüberschaubares Medienimperium.
Gleichzeitig machte der ehemalige IM Karriere als Politiker. 1991 gründete er die Humanistische Partei, 2005 ließ er diese in Konservative Partei umtaufen und übergab die Führung an einen Strohmann. 2004 wurde er erstmals in den Senat, das Oberhaus des rumänischen Parlaments, gewählt. Er kündigte nun an, gegen das Urteil des Kassationsgerichts vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen.
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