Aufarbeitung des Berliner Bankenskandals: "Das wird kein endgültiger Freispruch"

Der Senat will die letzten Risikofonds loswerden. Der Prozess gegen Klaus Landowsky und elf Bankmanager endet wohl mit Freisprüchen. Das Urteil gegen sie ist längst gefällt, gibt sich Grünen-Finanzexperte Esser unaufgeregt.

Vor Gericht: Der einstige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky Bild: Reuters

taz: Herr Esser, Anfang nächster Woche wird das Urteil im Untreue-Verfahren gegen Klaus-Rüdiger Landowsky und elf weitere ehemalige Chefs der Bankgesellschaft erwartet. Die Staatsanwaltschaft hat - wenn auch widerwillig - Freisprüche beantragt, die Verteidigung sowieso. Haben Sie sich das je träumen lassen?

Jochen Esser: Dass eine strafrechtliche Verurteilung schwierig werden würde, habe ich mir schon länger gedacht. Der Untreueparagraf ist äußerst schwammig, sodass es jede Anklagebehörde sehr schwer hat, zu einer Verurteilung zu kommen. Denn sie muss dem Angeklagten erstens nachweisen, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Zweitens hat sich jetzt die zusätzliche Hürde aufgetan, dass der Schadensanteil jeder Tathandlung der Angeklagten genau beziffert werden muss.

Sie haben diesen Prozess um den Bankenskandal seit Beginn verfolgt. Fallen Sie nicht vom Glauben ab, wenn jemand wie Landowsky ungeschoren davonkommt?

Landowsky selbst hat gesagt, durch den Freispruch werde seine Ehre wiederhergestellt. Aber die strafrechtliche Verurteilung ist eine Sache - das politische Urteil über die Verquickung von Bankdirektorentum und Berliner Politik eine andere. Dieses Urteil ist längst gefällt worden. Das geschieht in einer Demokratie durch Wahlen. Und was die Ehre des Kaufmanns angeht: nein, auch die ist weg, denn die Bank war ja 2001 bankrott.

Das heißt, Sie messen dem kommenden Urteil keine große Bedeutung bei?

Ich würde das Urteil einer von mehreren Ebenen einer Gesellschaft zuordnen. Wenn in Ägypten jetzt Mubarak zum Beispiel abtreten muss, ist es nicht entscheidend, ihn noch vor Gericht zu stellen, auch wenn sich das sicher viele Ägypter wünschen. Die eigentliche Sache ist dann eben passiert. Es ist ja eher so, dass Landowsky probiert, diesen Zusammenhang umzudrehen, und meint, wenn er freigesprochen wird, sei auch sonst alles in Ordnung gewesen. Nein, das war es natürlich nicht. Da ist überhaupt nichts zurückzunehmen.

Finden Sie es denn nicht empörend, dass man Landowsky rechtlich nicht belangen kann?

Ärgerlich ist, dass der zuständige Bundesgesetzgeber sich um die zentrale Frage drückt: Wie wird es strafrechtlich geahndet, wenn fremdes Vermögen - in dem Falle Volksvermögen - durch die Tätigkeit derer, denen es anvertraut ist, beschädigt wird.

Und Landowsky ist nur ein Fall unter vielen…

Genau. Spätestens seit dem Mannesmann-Prozess hätte sich der Bundesgesetzgeber dieser Frage mit Hochdruck stellen müssen. Es gibt zu Recht das Bedürfnis in der Gesellschaft, dass grob fahrlässige Verschleuderung von Vermögen auch strafrechtlich belangt werden kann. Und wenn der Untreueparagraf, so wie er heute ist, in diesen Fällen nicht greift, dann muss man ihn novellieren. Das hätte der Gesetzgeber längst tun müssen. Oder der Gesetzesgeber hätte einen neuen Tatbestand schaffen sollen. Das ist all die Jahre nicht geschehen.

In dem seit Juni 2009 laufenden Verfahren müssen sich neben dem ehemaligen Bank- und CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky fünf leitende Mitarbeiter der Immobilientochter der Bankgesellschaft IBG sowie sechs Aufsichtsratsmitglieder wegen Untreue verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, Mitte der 90er Jahre für zwei sogenannte Rundum-sorglos-Fonds der IBG den Zeichnern Mietgarantien von 25 Jahren sowie Steuervorteile angeboten zu haben, obwohl der Immobilienmarkt bereits seit 1995 rückläufig war. Der Bankgesellschaft Berlin soll so ein Schaden von rund 58 Millionen Euro entstanden sein. Die Vermögensgefährdung wird auf weitere 38,6 Millionen Euro geschätzt.

Der Zusammenbruch der Bankgesellschaft führte 2001 zum Ende der CDU-SPD-Koalition unter Eberhard Diepgen. In der Folge übernahm das Land Berlin Bürgschaften in Höhe von 21,6 Milliarden Euro, die CDU wurde bei den folgenden Abgeordnetenhauswahlen abgestraft und landete bei 23,8 Prozent - nur knapp vor der PDS.

An diesem Donnerstag ist der nächste Termin im Verfahren gegen Landowsky und Co. angesetzt. Erwartet werden die Schlussworte der Angeklagten. Sämtliche Verteidiger haben Freisprüche beantragt. Auch die Staatsanwaltschaft hatte auf Freisprüche plädiert. Für Montag wird das Urteil erwartet.

Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision angekündigt. Aus ihrer Sicht haben die Manager bei der Risikoeinschätzung ihre Pflichten verletzt. Die für eine Verurteilung nötige Klärung der Schadensfrage konnte wegen einer laut Staatsanwaltschaft zu früh beendeten Beweisaufnahme jedoch nicht geklärt werden.

Jochen Esser, geboren 1951, ist finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Seit dem Jahr 1999 kümmert er sich dort um Haushaltspolitik.

Wie erklären Sie sich das?

Daraus kann man in letzter Konsequenz schließen, dass der Druck der Wirtschaft zu groß ist und es den Verantwortlichen in der Wirtschaft gelungen ist, die Politik davon abzuhalten. Das ist unerhört.

Wird nun im Fall Landowsky das Gericht ein letztes Wort sprechen?

Nein, die beiden großen Verfahren sind weiter anhängig. Das Aubis-Verfahren kommt erneut vor das Landgericht. Und eine ähnlich offene Frage haben wir bei den Immobilienfonds-Prozessen. Die Staatsanwaltschaft wird in Revision gehen, weil sie in letzter Minute auf die neue Rechtslage reagieren musste, aber ihr Antrag, Sachverständige zur Schadenshöhe zu hören, abgelehnt wurde. Wir werden also noch nicht den endgültigen Freispruch für Landowsky hören.

Sehen Sie das lange Verfahren als eine Strafe an sich?

Ich glaube, viel wichtiger ist der gesellschaftliche Ansehensverlust. Das ist eigentlich für solche Leute die größte Strafe.

Mal abgesehen von möglichen Prozesskosten: Lässt sich der Schaden aus dem Bankenskandal für Berlin heute überhaupt noch beziffern? Die Summen, die oft angeführt werden, reichen ja von jährlich 200 Millionen bis zu 21,6 Milliarden Euro insgesamt.

Da werden in der Öffentlichkeit, natürlich auch von den Angeklagten, heftige Nebelkerzen geworfen. Zunächst hat das Land Berlin seine Bank verloren mitsamt dem ganzen Volksvermögen, das in ihr steckte - rund fünf Milliarden Euro. Dieses Vermögen hat Berlin durch Dividenden und den Sparkassenverkauf wieder reingeholt. Aber dann hat das Land Berlin in den letzten neun Jahren rund 4,2 Milliarden Euro für die Risikoabschirmung der Immobilienfonds zahlen müssen. Das sind fast eine halbe Milliarde pro Jahr. Die sind definitiv weg und fehlen logischerweise woanders - in den Schulen, beim Klimaschutz oder bei sozialen Leistungen. Und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Die Fonds laufen noch weitere 15 Jahre. Ich würde mal schätzen, dass noch zwei bis drei Milliarden Euro dazukommen werden, sodass der Bankenskandal am Ende sechs bis sieben Milliarden Euro Verlust verursacht haben wird. Da gibt es nichts zu beschönigen.

Derzeit will das Land Berlin die Berliner Immobilien Holding (BIH), in der die Schrottimmobilien der Bankgesellschaft gebündelt sind, an einen Investor veräußern, für die Risiken soll eine Bank aus Abu Dhabi bürgen. Wie stehen Sie dazu?

Der Finanzsenator tritt nun auf und sagt, das ist die Erlösung. Dazu habe ich neulich im Abgeordnetenhaus gesagt: Das ist wie mit Manchester City, die haben auch 140 Millionen Euro Verlust im Jahr und das zahlt alles Abu Dhabi. Aber dafür bekommen die Scheichs auch Fußballstars wie Carlos Tévez und Edin Dzeko. Und bei uns gibt es dafür wacklige Seniorenheime, die Wasserstadt Spandau und die Aubis-Platte. Das ist dann weniger sexy. Und wo da das Motiv liegen soll bei dieser Herrscherfamilie, sich dafür Verluste ans Bein zu binden - das erschließt sich mir auf den ersten Blick nicht.

Die SPD-Linke stemmt sich gegen einen Verkauf und will die gut 20.000 Wohnungen aus den Fonds retten. Geht das denn überhaupt?

Das Problem ist, dass man drankommen müsste. Diese Ahnungslosen in der SPD vergessen, dass die Objekte nicht dem Land Berlin gehören, sondern dem jeweiligen Fonds. Und in den Fondsgesellschaften sind wir nicht allein, sondern da sind noch 10 Prozent der ursprünglichen Zeichner mit Eigentumsrechten. Gegen deren Willen kann ich diese Häuser nicht einfach beschlagnahmen. Nach meinem Bild treten diese Eigentümer ziemlich erpresserisch auf und wollen sich ihre Rechte nur gegen sehr viel Geld abhandeln lassen. Die Frage, wie kriegt man die zu vertretbaren finanziellen, moralischen und politischen Kosten aus den Fonds, ist bis heute nicht geklärt. Solange wir aber keine Verfügungsgewalt über die Immobilien haben, so lange kann man sich die ganze Diskussion schenken.

Befürworten Sie einen Verkauf der BIH?

Ein privater Erwerber hätte eindeutig mehr Möglichkeiten, sich von den Zeichnern zu befreien. Er hat auch mehr Möglichkeiten, die Objekte zu bewirtschaften, Teile abzustoßen oder durch entsprechende Investitionen in die Bestände in die Gewinnzone zu kommen. Dazu fehlen dem Land die Kenntnisse und Fähigkeiten, weil das eigentlich auch keine Staatsaufgabe ist. Die Bandbreite der Immobilien reicht schließlich von Autobahnraststätten, Hotels, Baumärkten, Einkaufszentren bis zu Seniorenheimen, Tankstellen, Logistik- und Gewerbegelände aller Art…

und eben Wohnungen. Wie würden die Grünen, wenn sie an der Macht wären und die BIH verkaufen, Mieter beispielsweise eines Aubis-Plattenbaus vor einem künftigen renditefixierten Eigentümer schützen? Ließe sich das vertraglich regeln?

Da lässt sich immer einiges machen. Es kostet den Steuerzahler aber weiteres Geld im Wege einer Kaufpreisminderung. Berlin müsste dem neuen Eigentümer zusätzliches Geld dafür geben, dass er seinen Mietern in Zukunft mehr Schutz gewährt, als sie heute bei den Fonds haben. So etwas müssen Sie dann auch der Bevölkerung vermitteln, für die im Regelfall auch nur das allgemeine Mietrecht gilt. Denn wir wohnen ja fast alle bei privaten, mehr oder weniger renditeorientierten Hauseigentümern.

Würden Sie um jeden Preis verkaufen?

Nein. Man kann die BIH nur einem Dritten geben, wenn man sicher sein kann, dass kein einziger Euro Restrisiko beim Steuerzahler hängen bleibt. Der Finanzsenator müsste dafür endlich die Verträge offenlegen. Auf den genauen Vertragstext kommt es an, nicht auf Folien und Behauptungen des Senats. Ich wäre die BIH auch gerne los, aber natürlich nicht um den Preis, dass man als Berlinerin oder Berliner einem fremden Investor ausgeliefert ist und auf den Verlusten sitzen bleibt, während der seine Schäfchen ins Trockene bringt. Wenn das so nicht geht, muss man die Mühe auf sich nehmen, die BIH selbst weiter zu betreiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.