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■ Press-SchlagAuf vielen Füßen durch Soweto

Ob das diesmal die echte Elana Meyer ist? Neulich tauchte die weiße Starläuferin nämlich in einer Wahlliste des ANC auf – ohne von ihrer Kandidatenkür zu wissen. Aber heute, kein Zweifel, ist Elana leibhaftig da und noch dazu freiwillig. Sie hat sich sogar frühmorgens um sechs herausgetraut nach Soweto, um den Lauf für den Frieden zu starten. Ein Fun Run, bei dem alle – groß und klein, schwarz und weiß – mitmachen dürfen. Das ist am Kap durchaus noch nicht selbstverständlich, schon gleich gar nicht, wenn die Route durch ein berüchtigtes Township führt.

Aber wo ist Nelson M.? Wollte der nicht mitrennen? Er konnte nicht, heißt es, wg. Wahlkampf. Aber der Präsident in spe wäre ohnehin nur beim Spaßlauf gestartet. Alles kann er ja auch nicht. Außerdem sind die richtigen Läufer und Läuferinnen, also die, die nicht zur Gaudi, sondern für Ruhm und Rand schwitzen, schon vor einer Stunde losgebraust. Aus Swaziland, Namibia, Simbabwe, aus allen Ecken Südafrikas waren sie gekommen, um am Soweto Marathon teilzunehmen.

Die Frage war nur: Wie sollte das Spektakel losgehen? Ein Startschuß bei einem Friedenslauf – unmöglich. Also wurden ein paar verwirrte Tauben in die Luft geworfen, und ab ging die Post. 3.046 Männer und Frauen waren dabei; die einen ausgestattet wie Vollprofis, die anderen mit Schuhwerk, von dem die Fetzen davonflogen. Und manche rannten einfach barfuß über den heißen Asphalt. Hauptsache mitlaufen. Denn ein so vielfüßiges Landstreckenrennen mitten durch ein Township, das gab's schließlich noch nie.

Werden die mächtigen Taxiunternehmen ruhig bleiben, wenn ihnen das rennende Fußvolk die Linien versperrt? Wie kommen Hunderte von Teilnehmern, die kein Auto und auch sonst keine Transportmöglichkeiten haben, in aller Herrgottsfrühe an den Start? Wird es friedlich abgehen? Ein paar militante Jugendliche hatten angekündigt, den Friedenslauf zu attackieren, weil sie kein Geld für ihre Mithilfe bekamen, weil der Marathon eine „Fremdveranstaltung“ ist und überhaupt.

Gar nicht zu reden von den Reibereien zwischen den weißen Sponsoren des Burensenders M-Net und den schwarzen Veranstaltern. Wer schafft was an? Wieviel Geld steht für dieses und jenes zur Verfügung? „Die behandeln uns immer noch wie in Apartheid-Zeiten“, klagt ein Organisator.

Alle diese Probleme bereiteten Banele Sindani und seinem Team einige schlaflose Nächte. Aber jetzt strahlt der Präsident des Transvaaler Leichtathletikverbandes aus seinem Trainingsanzug: „Puh, alles gut gegangen.“ Der Sieger Mathews Temane ist nach einem phänomenalen Lauf bereits im Ziel, das Feld trudelt langsam ein, und die Nachzügler ziehen unbehelligt ihre Bahn durch Soweto. „Dieser Marathon ist unser Springbock. Er soll eine Lawine in allen anderen Townships des Landes lostreten: tausend Läufe für den Frieden“, schwärmt Sindani. Im wiedervereinigten Leichtathletikverband ist er zuständig für die Entwicklung der Lauftalente in Südafrika. Er träumt von einem Laufwunder à la Kenia. „Aber unsere Leute müssen gefördert werden, im alten Regime hatten sie ja keine Chancen.“

Der finanzielle Anfang ist gemacht: Die Meldegelder des Soweto Marathons werden auf Clubs in den Townships verteilt. Aber viel wichtiger noch ist die friedensstiftende Rolle, die den Leibesübungen im sportbegeisterten Südafrika zukommt. „Es war schon toll, wie Tausende am Straßenrand lachten und tanzten und ,Peace in our land‘ riefen“, sagt Antje Theine, die einzige Frau im schwarz-weißen Organisationsteam. Sport versöhnt.

Genauso war's am Sonntag in Soweto. Da feierten die Leute aller Hautfarben das schönste Sportfest, das das neue Südafrika bislang erlebt hat. Bartholomäus Grill

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