■ Auf du und du mit dem blauen Sack: Angriff auf Grünen Punkt
Frankfurt/Main (taz) – Im hessischen Lahn-Dill-Kreis wird ein neues System der Erfassung und Wiederverwertung von Verpackungen etabliert: eine Konkurrenz für das Duale System Deutschland (DSD). Die Gesellschaft heißt Landbell-Lahn-Dill-Kreis Gesellschaft für nachhaltige Kreislaufwirtschaft und ist eine Tochter des Kreises und der Landbell AG. Deren Aktionäre? Ein Geheimnis. Nur der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat sich gestern in Frankfurt geoutet: Ludwig Erbprinz zu Löwenstein- Wertheim-Freudenberg.
Fest steht aber schon, daß die Müllsäcke für Kartons und Getränkeverpackungen beim „Landbell-System“ blau sind, nicht gelb. Und anders als beim gelben Sack des DSD dürfen beim Landbell-Sack keine Kunststoffe hinein. Dadurch entfalle das aufwendige Sortieren von Müll, frohlockte Wolfgang Schertz, Vorstandsmitglied der Landbell AG. Und der Beutel lasse sich auf einen Bruchteil seines Volumens zusammenpressen. Das verbessere die Ökobilanz des neuen Systems. Ohne die Kunststoffe, die getrennt in Containern gesammelt werden müssen, könnten dann aus dem Inhalt des blauen Sackes Faserstoffe zur Herstellung von Kartonagen und Wellpappe gewonnen werden. Müllmänner werden nicht mehr gebraucht. Weder zum Sortieren noch zum Abholen der Säcke. Das erledigen preiswerter die Bauern aus der Kartei vom „Maschinenring“, einer Organisation, die Landwirte und ihre Maschinen verleiht.
Landbell glaubt, auch den Inhalt der grauen Restmülltonne problemlos verwerten zu können: im sogenannten Trockenstabilatverfahren. Das dabei entstehende Produkt, genannt „Stabilat“, habe „Heizeigenschaften wie Braunkohle“. Einen Abnehmer dafür gibt es allerdings noch nicht. Und eigentlich auch noch keinen für den blauen Sack. Aus dem DSD kann nämlich kein Landkreis per Beschluß austreten. Und deshalb löst der blaue Sack den gelben nicht einfach ab, sondern tritt in Konkurrenz zu ihm. Die BürgerInnen entscheiden, welchen Sack sie füllen. Beim blauen Sack müßten irgendwann weniger Gebühren für die Müllabfuhr bezahlt werden, prophezeite Schertz. Ob das die 250.000 BürgerInnen im Lahn- Dill-Kreis auch glauben? Das Datum des Projektbeginns jedenfalls wird ihr Mißtrauen eher noch steigern. Es ist der 1.April. kpk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen