: Auf die Couch oder aufs Sofa?
Zu komplexbeladenen Maulhelden und zickigen Diven können sich Hunde ohne sinnvolle Beschäftigung entwickeln. Aber mal ehrlich: Geht es uns nicht ähnlich?
„Hunde brauchen eine Aufgabe“, beschwören seit einigen Jahren namhafte Tierpsychologen vom Fernsehbildschirm und aus Fachzeitschriften heraus die Tierbesitzer. So wie der Mensch für sein Selbstwertgefühl Arbeit brauche, um nicht in depressive Verstimmung zu verfallen, brauchten auch Hunde eine Beschäftigung, sprich: einen Job. Haben sie keinen, werden sie schnell zu einem Fall für ihre Therapeutencouch, warnen uns Hundebesitzer die Experten.
Bereiche und Möglichkeiten für berufliche Erfüllung sind durchaus vorhanden: Jeder Pudel, jeder Dackel und jede Dogge kann – nach einer entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme – soziale und karitative Arbeit leisten. Bei Blindenhunden heißt es: Große Größen werden bevorzugt. Hier haben vor allem Schäferhunde gute Chancen. Aufregendere Perspektiven bietet die Laufbahn als Schnüffler beim Zoll oder als Lebensretter in den bayerischen Alpen. Sportliche Typen mit blutrünstiger Attitüde verlegen sich gern auf die Branche Jagdhund, großmäulige Muskelpakete auf Anstellungen bei Wach- und Schließgesellschaften.
Alles, was in den genannten Bereichen nicht zu vermitteln ist, fällt automatisch unter die Bezeichnung „Begleithund“. Begleithunde, zu denen die meisten Haushunde zählen, sind die, die den größten Teil des Tages müßig auf dem Sofa liegen.
Während Polizeispürhunde die Aura eines geschäftigen 12-Stunden-Einsatzes umweht, beschränkt sich der Tagesablauf von Begleithunden auf Dösen, Fressen und (gelegentlich) Begleiten. Wenn der zu Begleitende aber selbst neun Stunden wegen der Arbeit außer Haus ist, bleiben für den Begleiter nur etwa drei Stunden vom Tag übrig: Er besetzt eine klassische Drittelstelle. Der Hund als Minijobber. Diese Aufgabe füllt er, kommt er denn endlich zum Zug, exzessiv aus und begleitet den Menschen, was das Zeug hält: auf Fahrradrunden, beim Joggen, auf Spaziergängen in diverse Parks, auf dem Weg zum Supermarkt.
Die permantente Unterforderung durch die geringfügige Tätigkeit kompensiert der gemeine Begleithund übrigens häufig dadurch, dass er ausgeprägte Spleens entwickelt. Geht es auf die Straße, gibt er Vollgas. Da geraten die prolligen Spezies – die, wenn sie Menschen wären, Jogginghosen und dicke Goldketten trügen – an jeder Ecke aneinander und markieren in möglichst wenigen Zügen alles, was ihnen unterkommt.
Die wirren Fitnessfreaks unter den Hunden lassen nicht ab von Ersatzbeute Ball und Stock und apportieren ohne Sinn und Verstand. Schoßhocker-Mopse mit Kleiner-Rüde-Komplex beschimpfen größenwahnsinnig kompakte Bullterrier aus der Deckung heraus (und die springen darauf auch noch an …). Alles Fälle für die Couch, würden die Tierpsychologen sagen, aber da liegen sie ja schon.
Sind die selbstdarstellerischen Anstrengungen noch halbwegs ertragbar, ernten eigeninitiierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zumeist kaum Applaus bei den Menschen: Kühlschränke auf- und Mülltüten ausräumen, Bücher und Nachttischschränke anknabbern und zerfetzen sind anspruchsvolle Tätigkeiten, die jedoch selten honoriert werden.
Heikel sind ebenfalls spontane Jagden auf Straßenkatzen, auch wenn die als allergrößte Sozialschmarotzer es nicht anders verdient haben. Aber es gibt auch Beispiele gelungener Kompensation, bei denen Beschäftigung suchende Hunde mit viel Kreativität zu Werke gehen.
Uschi etwa, die Hündin einer Freundin, hat dies auf bewundernswerte Art bewerkstelligt. In lauen Sommernächten darf sie auf der Veranda liegen, von der eine Treppe in den Hof führt. Ein Bekannter identifizierte Uschi bei seinem nächtlichen Spaziergang eindeutig, als sie durch die Hinterhöfe schlich, um die dort befindlichen Katzenfutterstellen gründlich aufzuräumen. Zum fraglichen Zeitpunkt muss Uschi bereits wochenlange nächtliche Patrouillengänge hinter sich gehabt haben. Tagsüber ruhte sie gewöhnlich matt, erfüllt und zufrieden auf der Couch.
Uschis Findigkeit, sich selbst zu beschäftigen und zugleich auch mit maximalem Gewinn selbst zu belohnen, ist lobenswert, auch wenn dieser Mundraub eindeutig kriminelle Tendenzen aufweist.
Was wir Menschen daraus lernen könnten? Sagen wir mal so: Selbst beschäftigt und kleinkriminell ist immer noch besser als spleenig und destruktiv.
Also: Suchen wir aktiv nach Sinn gebenden Aufgaben, die uns vor negativen Verstimmungen schützen. Denn schließlich: Auf dem eigenen Sofa ist es gemütlicher als auf der Therapeutencouch. CHRISTINA DEICKE